Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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Ausbildung der Frucht. 212 So wie „Paulus“ e<strong>in</strong>st durch die Gnade zu dem<br />
wurde, was er jetzt ist, ist er nun als Apostel dazu berufen, andere (durch<br />
Gottes Gnade) zu dem zu formen, was er e<strong>in</strong>st wurde, d.h. se<strong>in</strong>en<br />
K<strong>in</strong>dern den Typos der Christusgestalt aufzuprägen. 213 Die mysteriöse<br />
ektrōma-Metapher erhält dort, wo man sie vor dem H<strong>in</strong>tergrund der<br />
komplexen gnostischen Spekulation versteht, e<strong>in</strong> klares und<br />
verständliches Profil. 214<br />
Obwohl es christliche Apologeten geben mag, die auch dies für<br />
möglich halten, wäre es völlig abwegig zu me<strong>in</strong>en, die mysteriöse<br />
Anspielung 1 Kor 15:8 könne diesen komplexen, um die Themen Geburt,<br />
Wiedergeburt, weiblicher und männlicher Same, hylische Amorphität,<br />
pneumatischer Typos etc. kreisenden Vorstellungskreis hervorgebracht<br />
haben. Natürlich ist klar, dass es sich umgekehrt verhalten haben muss<br />
und der Verfasser des 1. Kor<strong>in</strong>therbriefes an dieser Stelle das ihm<br />
bekannte und aus eben diesem Vorstellungskreis stammende Bild von der<br />
Fehlgeburt zitiert und auf sich bezieht. 215 Dann aber stellt sich sofort die<br />
Frage, wie dies bei e<strong>in</strong>em christlichen Autoren des 1. Jahrhunderts<br />
möglich se<strong>in</strong> kann.<br />
Zur deren Beantwortung bieten sich verschiedene Erklärungsmöglichkeiten<br />
an:<br />
a) Man kann mit Sell<strong>in</strong> behaupten, der gnostische Vorstellungskomplex<br />
sei bereits bei Philo und <strong>in</strong> der jüdischen Weisheit <strong>in</strong> nuce vorhanden<br />
gewesen und sei <strong>in</strong> der Gnosis nur weiter ausgeformt worden. Wie wir<br />
allerd<strong>in</strong>gs bereits gesehen haben, ist das nicht möglich. Sell<strong>in</strong> trägt die<br />
späteren gnostischen Vorstellungen, die er für se<strong>in</strong>e Deutung der<br />
Paulusstelle heranzieht, <strong>in</strong> die Philo-Lektüre e<strong>in</strong>. Der Gedanke e<strong>in</strong>es<br />
„doppelten Todes“ bei Philo kann weder den ektrōma-Vorstellungskomplex<br />
bei Paulus noch <strong>in</strong> der Gnosis h<strong>in</strong>reichend erklären. Die<br />
beiden entscheidenden Gedanken a) die Fehlgeburt ist durch den<br />
Mangel an Pneuma def<strong>in</strong>iert b) deren Formung erfolgt aufgrund von<br />
Gnade (1 Kor 15:10), lassen sich aus den Philostellen nicht<br />
herauslesen.<br />
b) Man kann e<strong>in</strong>e Interpolation annehmen. Dies ist allerd<strong>in</strong>gs schon<br />
deswegen sehr unwahrsche<strong>in</strong>lich, weil sich bereits im Römerbrief des<br />
Ignatius (9:2) e<strong>in</strong> Reflex der Stelle 1 Kor 15:8 f<strong>in</strong>det, der das frühe<br />
212 Siehe die Angaben bei Behm, S. 760; vgl. SpecLeg 3:117.<br />
213 Mit der Geburt des Messias hat das nichts zu tun.<br />
214 Vgl. auch 1 Kor 3:2.<br />
215 Dieser Ansicht ist auch Sell<strong>in</strong> 1986, S. 248, Anm. 78: „Ursprünglich ist der gnostische<br />
Gebrauch der Metapher nicht von Paulus herzuleiten, sondern geht ebenfalls auf<br />
den weisheitlichen zurück.“ Aber der „weisheitliche Gebrauch der Metapher“ ist e<strong>in</strong>e<br />
Schimäre, so etwas hat es nie gegeben.<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013