Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik
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Da Baur den entscheidenden philologischen Beweis für se<strong>in</strong>e<br />
Behauptung schuldig blieb, ist es verständlich, dass sie sich nicht auf<br />
Dauer halten konnte und die nachfolgenden Exegetengenerationen bald<br />
wieder über se<strong>in</strong>e Entdeckung h<strong>in</strong>wegg<strong>in</strong>gen. Dies offenbar umso lieber,<br />
als Baurs Ausführungen bei der Mehrheit der Theologen ohneh<strong>in</strong> auf<br />
wenig Gegenliebe gestoßen waren, hatte er doch aus se<strong>in</strong>en<br />
Beobachtungen Schlüsse gezogen, die ihnen höchst heikel ersche<strong>in</strong>en<br />
mussten. Baur bestritt nämlich die Authentizität des Philipperbriefes. Er<br />
datierte ihn konsequenterweise <strong>in</strong> dieselbe Zeit wie jene gnostische<br />
Ideen, die er dar<strong>in</strong> widergespiegelt sah, d.h. <strong>in</strong> das 2. Jahrhundert. Damit<br />
hatte er an e<strong>in</strong> Tabu gerührt, das man <strong>in</strong> der Theologenwelt, damals wie<br />
heute, nicht ungestraft verletzen darf, selbst wenn man Baur zugute<br />
halten musste, dass er die vier „Hauptbriefe des Apostels“ (Röm, 1/2<br />
Kor, Gal) verschont hatte und nicht so weit gegangen war wie Bruno<br />
Bauer, der ke<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>zigen, unter dem Namen des Apostels verfassten<br />
Brief mehr als echt anerkennen wollte.<br />
Was Bauer betrifft, so hatte sich dieser übrigens <strong>in</strong> der Frage der<br />
Auslegung des Christushymnus eng an Baur angeschlossen. Auch nach<br />
Bauer setzt der Philipperbrief die „vollständige systematische<br />
Ausarbeitung der Gnosis voraus; gnostische Formeln s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> ihm …mit<br />
e<strong>in</strong>er ausdrücklichen Berichtigung verarbeitet. Der Verfasser des Briefes<br />
lässt mit e<strong>in</strong>em polemischen Seitenblick auf Valent<strong>in</strong>’s System se<strong>in</strong>en<br />
Christus freiwillig thun, was die gnostische Sophia als Folge ihrer<br />
sträflichen Selbstüberhebung erfährt.“ 76 Das ist Orig<strong>in</strong>alton Baur (s.o.),<br />
von dem sich Bauer nur <strong>in</strong>soweit abgrenzt, als er den Brief konsequenter<br />
als Baur, der sich darüber weniger deutlich ausgesprochen hatte, <strong>in</strong> die<br />
„Tiefe des zweiten Jahrhunderts“, d.h. <strong>in</strong> die Mitte des 2. Jahrhunderts,<br />
versetzt. 77<br />
Dass die These Baurs von Bruno Bauer übernommen und weiter<br />
radikalisiert wurde, mag den Ausschlag dafür gegeben haben, sie <strong>in</strong> den<br />
Augen zumal konservativer Theologen vollends zu desavouieren. M.W.<br />
hat es danach nur noch e<strong>in</strong>en Wissenschaftler gegeben, der den Mut<br />
hatte, wieder daran anzuknüpfen, so der Berl<strong>in</strong>er Gnosisforscher und<br />
Neutestamentler Hans-Mart<strong>in</strong> Schenke.<br />
„Das rätselhafte ouch harpagmon hēgēsato to e<strong>in</strong>ai isa theō …<br />
wird me<strong>in</strong>es Erachtens wirklich und konkret verständlich nur auf<br />
dem H<strong>in</strong>tergrund des <strong>in</strong> der Gnosis weitverbreiteten Topos von<br />
der Entstehung der Welt durch den Fall e<strong>in</strong>es göttlichen Wesens,<br />
gewöhnlich der Sophia: Sie trachtet <strong>in</strong> räuberischer<br />
Vermessenheit danach, dem göttlichen Urvater gleich zu se<strong>in</strong>,<br />
76 Bauer 1879, S. 374.<br />
77 Bauer 1879, S. 374.<br />
© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013