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Jesus versus Jaldabaoth – Gnostische Elemente in ... - Radikalkritik

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53<br />

1 Kor 2:6-8 <strong>–</strong> Wer s<strong>in</strong>d die „Herrscher<br />

dieser Weltzeit“?<br />

E<strong>in</strong>en weiteren H<strong>in</strong>weis darauf, dass wir bei dem Verfasser der Paulusbriefe<br />

mit ziemlicher Sicherheit Kenntnis der gnostischen Systeme des 2.<br />

Jahrhunderts annehmen dürfen, erhalten wir im 1. Kor<strong>in</strong>therbrief. 1 Kor<br />

2:6-8 verkündet der Verfasser e<strong>in</strong>e „Weisheit unter den Vollkommenen“,<br />

nicht dieses Äons, auch nicht der Herrscher dieses Äons, die vernichtet<br />

werden; sondern wir reden Gottes Weisheit im Geheimnis,<br />

die verborgene, die von Gott vor Äonen zu unserer Herrlichkeit<br />

vorherbestimmt wurde, die ke<strong>in</strong>er der Herrscher dieses Äons erkannt<br />

hat; denn wenn sie (sie) erkannt hätten, hätten sie den<br />

Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.<br />

Seit jeher umstritten ist die Frage, wer hier mit den „Herrschern dieser<br />

Weltzeit“ geme<strong>in</strong>t sei. Schon <strong>in</strong> der Auslegung der alten Kirche g<strong>in</strong>gen<br />

die Ansichten darüber ause<strong>in</strong>ander, ob es sich dabei um irdische Machthaber<br />

(Deutung 2) oder um dämonische Mächte (Deutung 1) handele. E<strong>in</strong>er<br />

der ersten Ausleger der Stelle war Marcion. Während dieser <strong>in</strong> den<br />

„Herrschern dieser Weltzeit“ die im Dienste des Demiurgen stehenden<br />

geistige Mächte sah (=die Archonten bzw. Gestirn- Planetenmächte der<br />

Gnosis), erblickte se<strong>in</strong> Widerpart Tertullian <strong>in</strong> ihnen die weltlichen<br />

Machthaber, konkret: Herodes und Pilatus. 156<br />

Die Interpretation des Häretikers fand bei den Kirchenvätern wenig<br />

Anklang. Deren Deutung hatte lange Zeit die Vorherrschaft und wurde<br />

erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts von den Vertretern der Religionsgeschichtlichen<br />

Schule <strong>in</strong> Frage gestellt. Zumeist wird <strong>in</strong> diesem Zusammenhang<br />

auf die Veröffentlichung des e<strong>in</strong>flussreichen Buches von<br />

Mart<strong>in</strong> Dibelius: „Die Geisterwelt im Glauben des Paulus“, 1909, verwiesen.<br />

Doch schon zwei Jahrzehnte zuvor war e<strong>in</strong> Werk über die „paul<strong>in</strong>ische<br />

Angelologie und Dämonologie“ von Otto Everl<strong>in</strong>g erschienen, <strong>in</strong><br />

dem dieser <strong>–</strong> ebenso wie später Dibelius <strong>–</strong> der herrschenden Auffassung<br />

e<strong>in</strong>e Absage erteilte und schlüssig begründete, warum 1Kor 2:8 ke<strong>in</strong>e irdischen<br />

Machthaber geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong> können, sondern dämonische Mächte<br />

geme<strong>in</strong>t se<strong>in</strong> müssen. Da als irdische Machthaber nach se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung<br />

nur Pilatus und Kaiphas <strong>in</strong> Frage kämen, sei es schwer verständlich, warum<br />

die Beschuldigung der Kreuzigung des Herrn „auf alle Mächtigen<br />

der Erde“ ausgedehnt werde. Außerdem passe das katargoumenōn („die<br />

vernichtet werden“, Präsens) nicht zu den beiden, da sie zu dem Zeitpunkt,<br />

„als Paulus den ersten Kor<strong>in</strong>therbrief schrieb, sicher doch meist<br />

nicht mehr im Leben“ waren, „so dass sie nicht mehr denjenigen zuge-<br />

156 Tertullian Marc 5.6.8.<br />

© Hermann Deter<strong>in</strong>g <strong>–</strong> www.radikalkritik.de 2013

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