Strafzumessung und Verteidigerstrategie - Ferner & Kollegen
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Die Gefahrenlage besteht aber auch noch während eines kurzen<br />
Haltens. 1 Eine solche Gefahrenlage besteht jedoch nicht, wenn der<br />
Täter an ein bereits geparktes Fahrzeug herantritt, um dessen<br />
Insassen zu berauben. 2 . Auch der Transport eines Tatopfers mit<br />
einem Fahrzeug an einen Ort, an dem die geplante Erpressung<br />
ausgeführt wird, erfüllt nicht den Tatbestand des § 316a StGB. 3 Fasst<br />
der Täte den räuberischen Entschluss, wenn für den Taxifahrer die<br />
Fahrt noch nicht beendet war, er vielmehr nur kurz angehalten hatte,<br />
um zu kassieren <strong>und</strong> danach weiterzufahren, liegt für den Taxifahrer,<br />
gemessen an seiner berufsbedingten Situation, nur ein<br />
vorübergehender Halt <strong>und</strong> deshalb keine Beendigung der Fahrt vor. 4<br />
3.3. Änderung der Rechtsprechung<br />
Diese Rechtsprechung wurde 2003 ausdrücklich aufgegeben 5 : Der<br />
BGH hält eine eng am Schutzzweck der Norm orientierte Auslegung<br />
für notwendig <strong>und</strong> folgt damit kritischen Stimmen in der Literatur. 6<br />
Der BGH folgt damit dem gesetzgeberischen Anliegen des 6. StrRG,<br />
durch das der Deliktscharakter des § 316a StGB von dem früheren<br />
Unternehmensdelikt in ein Delikt geändert wurde, das durch<br />
"Verüben eines Angriffs" begangen wird 7 . Schon die Einordnung der<br />
Vorschrift des § 316a StGB in den Abschnitt über gemeingefährliche<br />
Straftaten verdeutlicht. Die Vorschrift, deren Einführung durch das<br />
Gesetz zur Sicherung des Straßenverkehrs vom 19. Dezember<br />
1952 8 erfolgte, diente in erster Linie dem Schutz vor sog.<br />
"Autofallen" 9 <strong>und</strong> damit neben individuellen Rechtsgütern zumindest<br />
gleichrangig den Schutz der Sicherheit des Kraftfahrverkehrs auf<br />
den Straßen bezweckt. Die "Vereinzelung" des Fahrers oder<br />
Mitfahrers begründet für sich allein noch kein Ausnutzen der<br />
besonderen Verhältnisse des Straßenverkehrs. 10<br />
Ausgehend von dieser Zielrichtung der Strafvorschrift des § 316 a<br />
StGB, erfasst der Tatbestand als taugliche Tatopfer eines unter den<br />
spezifischen Bedingungen des Straßenverkehrs in räuberischer<br />
Absicht auf Leib oder Leben oder die Entschlussfreiheit verübten<br />
"Angriffs" nur den "Führer" oder den "Mitfahrer" eines Kraftfahrzeugs.<br />
1 BGHSt 38, 190.<br />
2 BGHSt 24, 320; BGH, NStZ-RR 1997,356 ; BGH, pvr 2002, 110.<br />
3 BGH, NStZ 1998, 263; BGH, pvr 2002, 110.<br />
4 BGH 21.8.2002 2 StR 152/02 = NStZ 2003, 35-36<br />
5 BGH, 4. Strafsenat, Urteil vom 20. November 2003 - 4 StR 150/03.<br />
6 Booß, DAR 1953, 5, 6; Christian Fischer, JURA 2000, 433 f.; Geppert, JURA<br />
1995, 310 f.; Günther, JZ 1987, 16 f. <strong>und</strong> 369 f.; Ingelfinger, JR 2000, 225 f.;<br />
Meurer-Meichsner, Untersuchungen zum Gelegenheitsgesetz im Strafrecht,<br />
zugleich ein Beitrag zu § 316a StGB (Autostraßenraub), 1974; Roßmüller/Rohrer,<br />
NZV 1995, 253 f.; Wolters, GA 2002, 303 f.; jew. m.w.N.<br />
7 BT-Drucks. 13/8587 S. 51.<br />
8 BGBl I 832, 834.<br />
9 BT-Drucks. - 1. WP - 3774 S. 6; dazu BGHSt 39, 249, 250.<br />
10 Aufgabe von BGHSt 5, 280.