Strafzumessung und Verteidigerstrategie - Ferner & Kollegen
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3. <strong>Strafzumessung</strong><br />
3.1. Besondere Schwere der Schuld 1<br />
Der Fall:<br />
Einem Angeklagten kann zwar angelastet werden, wenn er zwei<br />
voneinander unabhängige Mordmerkmale, etwa Heimtücke <strong>und</strong><br />
Handeln aus niedrigen Beweggründen, mit der Tat erfüllt. Lastet der<br />
Richter ihm allerdings an, dass der Täter „dem minderjährigen Sohn“<br />
den Vater genommen <strong>und</strong> ihm <strong>und</strong> der Familie großes Leiden<br />
zugefügt hat, so ist dies bedenklich <strong>und</strong> auch die Begründung der<br />
besonderen Schuldschwere, der Täter habe „mit absolutem<br />
Vernichtungswillen“ gehandelt, verstößt gegen das Verbot der<br />
Doppelverwertung gem. § 46 Abs. 3 StGB.<br />
3.2. <strong>Strafzumessung</strong> beim Totschlag 2 .<br />
Es ist schon zweifelhaft, ob allein eine angenommene Nähe zu zwei<br />
Mordmerkmalen zu einem besonders schweren Fall des Totschlags<br />
führt. Dies ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn gleichzeitig eine<br />
erheblich eingeschränkte Schuldfähigkeit zur Ablehnung der<br />
subjektiven Voraussetzungen der Mordmerkmale führt. Ein<br />
besonders schwerer Fall scheidet aber aus, wenn dem Angeklagten<br />
zugute gehalten wird, dass nur mit bedingtem Tötungsvorsatz<br />
gehandelt hat <strong>und</strong> die Tat nicht geplant war <strong>und</strong> er Reue zeigt.<br />
3.3. Gefährliche Körperverletzung 3 .<br />
Der Fall:<br />
Der nicht vorbestrafte Angeklagte nahm an einem Fußballturnier teil.<br />
Er nahm der Hilferuf seines vor der Sporthalle befindlichen<br />
Schwagers wahr, der von zwei Männern geschlagen wurde <strong>und</strong> die<br />
bereits den Angeklagten auf dessen Weg zum Fußballturnier ohne<br />
Anlass in aggressiver Weise verfolgt <strong>und</strong> beschimpft hatten. Bereits<br />
hierdurch war eine Schlägerei ausgelöst worden. Der Angeklagte <strong>und</strong><br />
sein Bruder eilten daraufhin nach Außen, um dem Schwager zu<br />
helfen. Vor der Halle riss der Angeklagte aus einem Gartenzaun ein<br />
Holzpfeil <strong>und</strong> stelle einer der Angreifer zur Rede. Als dieser ihn mit<br />
Worten wie Arschloch <strong>und</strong> Ähnlichen beschimpfte, steigerte sich<br />
seine Erregung <strong>und</strong> er schlug mit dem Pfeil in Richtung der<br />
Körperseite seines etwa ein Kopf größeren Gegners. Er traf ihn<br />
jedoch am Kopf, weil dieser sich in diesem Augenblick abwandte <strong>und</strong><br />
bückte. Sein Kontrahent erlitt ein subturales Hämatom <strong>und</strong> fiel auf<br />
das Pflaster. Der Geschädigten musste sich einer Notoperation am<br />
Schädel unterziehen <strong>und</strong> befand sich mehrere Wochen im Koma. Bei<br />
ihm besteht immer noch eine linksseitige Bewegungseinschränkung,<br />
die voraussichtlich von Dauer aber im Ausmaß ungewiss ist.<br />
1 BGH, Beschluss vom 03.02.2004, 4 StR 403/03<br />
2 BGH, Beschluss vom 20.01.2004, 5 StR 395/03<br />
3 BGH, Beschluss vom 07.01.2004, 3 StR 456/03