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Strafzumessung und Verteidigerstrategie - Ferner & Kollegen

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15<br />

angreifbar.1 Die Verteidigung der Rechtsordnung rechtfertigt<br />

die Verhängung einer Freiheitsstrafe, wenn wegen der<br />

Besonderheiten des Einzelfalles für das allgemeine<br />

Rechtsempfinden die Verhängung lediglich einer Geldstrafe<br />

schlechthin unverständlich wäre.2 Die Verhängung einer<br />

Freiheitsstrafe muss für jeden erkennbar unerlässlich sein3:<br />

unerlässlich ist die Freiheitsstrafe nur, wenn die Geldstrafe<br />

den spezial- oder generalpräventiven Zweck des Strafens<br />

offensichtlich nicht mehr erreichen kann.4 Gegen die<br />

Anwendung des Begriffs „Verteidigung der Rechtsordnung“<br />

wird seit Jahren in der Literatur5 geschrieben, ohne allerdings<br />

dass es zu einer Beanstandung des Verfassungsgerichts<br />

gekommen ist. Die „Verteidigung der Rechtsordnung“ spielt<br />

auch eine Rolle bei der Frage, ob eine Freiheitsstrafe von<br />

mehr als sechs Monaten zu vollstrecken ist, obwohl dem<br />

Angeklagten eine günstige Sozialprognose gestellt wird. In<br />

diesen Fälle muss das Gericht eine Kriminalprognose gemäß<br />

§ 56 Abs. 3 StGB erstellen. Wird eine günstige<br />

Kriminalprognose bejaht, kann die Frage der Vollstreckung<br />

einer Freiheitsstrafe zur Verteidigung der Rechtsordnung erst<br />

danach diskutiert werden.6<br />

Eine Freiheitsstrafe von weniger als sechs Monaten darf nur<br />

verhängt werden, wenn hierfür besondere Umstände gemäß § 47<br />

Abs. 1 StGB sprechen. Die Urteilsgründe müssen dann im einzelnen<br />

die Umstände anführen, die zur Ablehnung einer Geldstrafe geführt<br />

haben.7<br />

Bei der Verurteilung gegen eines Bagatelledeliktes wird die<br />

Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen häufig als unangemessen<br />

gesehen 8 . Allerdings ist die Verhängung von Freiheitsstrafen nicht<br />

generell ausgeschlossen. Die Häufung von Taten mit geringer Schuld<br />

lässt auch auf hartnäckiges rechtsmissbräuchliches <strong>und</strong><br />

gemeinschaftsschädliches Verhalten schließen, das wiederum die<br />

Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen rechtfertigt. Eine<br />

Verhängung einer kurzfristiger Freiheitsstrafe unter sechs Monaten<br />

kommt in Betracht, wenn unter dem Gerichtspunkt der<br />

Spezialprävention oder dem Strafzweck zur Einwirkung auf den Täter<br />

durch eine Geldstrafe nicht mehr erreicht werden kann.<br />

1 Hassemer in Festschrift für Coing S. 493<br />

2 OLG Köln StV 84,378 ; BGH St 24, 40<br />

3 Xanke, Rdnr. 277<br />

4 OLG Düsseldorf StV 86,104<br />

5 Naucke, Verteidigung der Rechtsordnung, Berlin 1972; Knoche, Blutalkohol 70,<br />

189; Köhler JZ 89, 697<br />

6 OLG Dresden VRS 99,75<br />

7 OLG Düsseldorf VRS 84, 229; BGHR StGB § 47 Abs. 1 Umstände 2, 4<br />

8 OLG Stuttgart, NJW 2002, 3188; OLG Braunschweig NStZ-RR 2002, 78; OLG Hamm, Strafo 2003,<br />

99 <strong>und</strong> Strafo 2003, 177

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