Strafzumessung und Verteidigerstrategie - Ferner & Kollegen
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94<br />
E. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr,<br />
Straßenverkehrsgefährdung <strong>und</strong> räuberischer Angriff auf<br />
Kraftfahrer<br />
Der 4. Strafsenat hat in den letzten Monaten angesetzt das<br />
Verkehrsstrafrecht in zahlreichen Bereichen zu präzisieren, teilweise<br />
neue Wege zu beschreiten. Es begann mit einer Neuausrichtung der<br />
Entziehung der Fahrerlaubnis bei allgemeinen Straftaten, worüber<br />
demnächst der Große Senat entscheiden wird. Aber auch in der<br />
Abgrenzung der Straftaten des „Gefährlichen Eingriffs in den<br />
Straßenverkehr“ <strong>und</strong> der „Straßenverkehrsgefährdung“ wurden neue<br />
Akzente gesetzt. Bei der Strafbarkeit des räuberischen Angriffs auf<br />
Kraftfahrer wurde der Begriff „der Ausnutzung der besonderen<br />
Verhältnisse des Straßenverkehrs“ konkretisiert.<br />
1. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr: § 315b StGB<br />
1.1. Der Tatbestand<br />
§ 315b StGB ist ein konkretes Gefährdungsdelikt <strong>und</strong> soll das Leben,<br />
die körperliche Unversehrtheit <strong>und</strong> das Eigentum des Einzelnen<br />
schützen. Während § 315c StGB vorschriftswidriges, gefährliches<br />
Verhalten im fließenden oder ruhenden Straßenverkehr erfasst, zielt<br />
§ 315b StGB auf verkehrsfremde Eingriffe von außen in den<br />
Straßenverkehr. 362 Das Delikt ist in einen Handlung- <strong>und</strong> einen<br />
Gefährdungsteil aufgeteilt. Die Gefährdung entspricht dabei dem<br />
Tatbestand des § 315c StGB. Durch die Tathandlung nach § 315b<br />
Abs. 1 StGB muss zusätzlich die Sicherheit des Straßenverkehrs<br />
direkt beeinträchtigt werden. Die Handlung muss so riskant sein,<br />
dass sie sich störend auf die Sicherheit der Verkehrsvorgänge<br />
auswirkt <strong>und</strong> so eine Steigerung der allgemeinen Betriebsgefahr<br />
verursacht.<br />
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH wird ein<br />
vorschriftswidriges Verkehrsverhalten im fließenden Verkehr nur<br />
dann von § 315b StGB erfasst, wenn ein Fahrzeugführer das von ihm<br />
gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung<br />
bewusst zweckwidrig einsetzt, der Fahrer mithin in der Absicht<br />
handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den<br />
Straßenverkehr zu "pervertieren", <strong>und</strong> es ihm darauf ankommt,<br />
durch diese Verhaltensweise in die Sicherheit des Straßenverkehrs<br />
einzugreifen. 363 Ein bloß vorschriftswidriges Verkehrsverhalten fällt<br />
dagegen gr<strong>und</strong>sätzlich nicht unter § 315b StGB, sondern nur unter §<br />
315c StGB. 364 .<br />
362 BGHSt 32, 4<br />
363 BGHSt 41, 231, 234; BGH, NStZ-RR 2000, 343; BGHR, StGB § 315 b Abs. 1<br />
Nr. 2 Hindernisbereiten 1, 3, 4.<br />
364 BGHSt 41, 231, 233 f.; BGHR, StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 2 Hindernisbereiten 3;<br />
Tröndle/Fischer, StGB, 51. Aufl., § 315b Rdnr. 8.