VELUX PANORAMA Architektur mit VELUX aus aller Welt. 1 FOTOS (S. 74–77): ADAM MØRK ÜBER DEN DÄCHERN EUROPAS KONZEPTHAUS ATIKA Fakten Vorläufiger Standort Art des Gebäudes Kunde Architekten Fertigstellung Getxo (Bilbao), Spanien. Wanderausstellung Konzepthaus (modulare Dachaufstockung) VELUX A/S, Hørsholm, Dänemark ACXT/IDOM, Bilbao, Spanien 2006 98 D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05
1. Mit seiner markanten Silhouette überragt Atika das Stadtbild. Das modulare Konzepthaus wurde erstmals im Oktober 2006 im Hafen von Getxo (Spanien) vorgestellt. Die traditionelle Architektur Südeuropas zeichnet sich durch ihre intelligente und einfache Nutzung vorhandener Ressourcen aus: Sonne und Luft, die im Überfluss zur Verfügung stehen, und Wasser – mitunter ein seltenes Gut – werden seit Jahrhunderten zum Kühlen und Heizen verwendet, um den Bewohnern bestmöglichen Komfort zu bieten. Dicke und schwere Mauern als thermischer Puffer, weißer Kalk als reflektierende Schicht auf den Außenwänden, Fensterläden, Schatten von Gebäuden und Dachüberhängen, enge Straßen und Höfe, die Schatten spenden und zugleich die Luft zirkulieren lassen, sowie die Verwendung fließenden Wassers zum Kühlen gehören zu den traditionellen Lösungen der Architektur rund um das Mittelmeer. Atika ist von dieser mediterranen Bautradition inspiriert. Das Projekt ist der Versuch, mit einfachen, aber wirkungsvollen Lösungskonzepten mehr Komfort bei geringerem Energieverbrauch zu erreichen. Entworfen als Konzepthaus für warme Klimazonen, soll Atika ein gesundes Wohnumfeld mit hohem Raumkomfort und ganzjährig optimalen Tageslichtbedingungen bieten. Es ist damit der Prototyp eines energiesparenden Hauses in Regionen mit viel Sonne, heißen Sommern und milden Wintern, wo Belüftungs- und Kühlsysteme traditionell viel Energie verbrauchen. „Normalerweise werden Dächer im Mittelmeerraum nicht als Wohnraum benutzt. Doch Atika ist ein Dachhaus und zugleich ein Haus unter dem Dach”, sagt Javier Aja Cantalejo von ACXT Arquitectos, der für den Entwurf verantwortlich zeichnete. Das Gebäude, das der Öffentlichkeit zum ersten Mal im Oktober 2006 im Hafen von Getxo bei Bilbao vorgestellt wurde, ist in zwei Teile gegliedert: das Haus selbst und einen gerüstartigen Unterbau, der ein bestehendes Gebäude mit Flachdach symbolisiert. Javier Aja Cantalejo zufolge liegen die konzeptionellen Vorteile von Atika im schnellen Aufbau vor Ort und der geringen Belästigung der Nachbarn. Zudem bietet das Haus zusätzliche Mietflächen und schützt die bestehende Dachoberfläche vor Regen. Die Silhouette von Atika wird durch sein weißes, zickzackförmiges Dach geprägt. Als Re-Interpretation der traditionellen Mittelmeerarchitektur besitzt das Haus einen zentralen, offenen Patio, der mit einem schattenspendenden Vordach, einem Wasserbecken und Grünpflanzen als Klimaregulator dient. Atika-Häuser sind typische Einfamilienhäuser. Ihr Grundriss mit 10 x 10 Metern Kantenlänge ist in drei Teile gegliedert. Die beiden Flügel im Westen und Osten – je 10 Meter lang und 3,5 Meter breit – enthalten die Wohn- und Schlafräume. Sie werden durch den Eingangsbereich und die zentrale, offene Patio- Terrasse miteinander verbunden. Die Dächer sind nach Norden und Süden geneigt, wobei jedem Raum im Haus eine eigene Dach geometrie zugeordnet wurde. Die genaue Dachform von Atika variiert je nach Standort, abhängig von der geografischen Lage, der Ausrichtung, der Art der Raumnutzung sowie von den Ansprüchen an Tageslicht und Raumklima. Dies macht Atika zu einem flexiblen Organismus, der sich öffnen und schließen, atmen, Sonnenenergie einfangen und diese je nach Jahreszeit umwandeln kann. Die natürliche Belüftung und nächtliche Abkühlung werden von einer elektronischen Steuerungsanlage optimiert, die automatisch das Raumklima überwacht. Die Anlage regelt das Raumklima durch automatisches Öffnen und Schließen der Fenster sowie der Jalousien und Rollläden und durch Aktivierung des Kühl- und Heizsystems gemäß voreingestellter Parameter wie Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Tageszeit, Jahreszeit und Einbruchschutz. Das Konzepthaus wird über die Straße zum Aufbauort transportiert. Die Tragkonstruktion besteht aus einem Stahlrahmen für die Boden- und Dachflächen. Stahlstützen tragen die Wände, diagonale Streben stabilisieren sie. Der Boden besteht aus Stahlbetonplatten auf einer Wellblechschicht. Die 16 Zentimeter dicke Wärmedämmung wird im Dach von einer weiteren Wellblechschicht und in den Außenwänden von einem leichten, verzinkten Stahlrahmen gehalten. Dächer und Fassaden sind außen mit Hochdrucklaminat-Platten und innen mit Gipskarton verkleidet. Die Innenwände be stehen ebenfalls aus einer doppelten Schicht Gipskarton mit innen liegender Schalldämmung. Auf den Böden im Inneren des Hauses wurden Keramikfliesen, im Patio und auf den Terrassen Holz verlegt. Das für Atika verwendete Baukastenprinzip sowie die Vorfertigung in der Fabrik haben große Vorteile gegenüber konventionellen Baumethoden: Sie reduzieren die Bauzeit um etwa ein Drittel, machen die Konstruktion stabiler und präziser und vereinfachen die Nutzung von Spezialprodukten und techniken für eine bessere Wärme- und Schalldämmung. Zudem verbessert die Herstellung in der Fabrikhalle die Qualität und die Kontrolle des Bauprozesses. Die Gebäudetechnik von Atika ist insofern innovativ, als Solarkollektoren heißes Wasser nicht nur zum Heizen, sondern auch zum Kühlen liefern. Sie stellen rund 70 % des Warmwasserbedarfs und 30 % des Heizenergiebedarfs bereit und versorgen zugleich die Klimaanlage des Hauses. Die insgesamt rund 10 Quadratmeter großen Solarkollektoren wurden auf den südlichen Dach flächen des Hauses installiert und sind zwischen 15 und 60 Grad aus der Horizontalen geneigt. Die Kollektoren versorgen ein Heißwassersystem, das an ein zusätzliches Kühlwassersystem angeschlossen ist. Dieses Kühlwassersystem wird für die Luftkühlung in den heißen Jahreszeiten benutzt. Das Heizen, als Raumheizung in Gebäuden, für die Warmwassergewinnung und für Industrieprozesse, macht heutzutage die Hälfte des gesamten Weltenergieverbrauchs aus. Die Nutzung erneuerbarer Ener gien – solarthermisch, geothermisch oder Biomasse – bietet eine gute Alternative zu fossilen Brennstoffen und Elektrizität als Wärmequellen. In dieser Hinsicht kann Atika zur Lösung der Aufgabe beitragen, die der EU-Kommissar für Energie, Andris Piebalgs, als eine der größten künftigen Herausforderungen für die Architektur ausgemacht hat: „Durch energetische Verbesserungen in unseren Gebäuden erreichen wir nicht nur mehr für uns selbst, sondern wir sparen auch für unsere Kinder.“ Mehr Informationen unter: atika.VELUX.com 99