DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl
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09<br />
Dietmar<br />
Eberle<br />
Dietmar Eberle leitet gemeinsam mit<br />
Carlo Baumschlager das Architekturbüro<br />
Baumschlager Eberle mit Niederlassungen<br />
in Lochau, Vaduz, Wien,<br />
Peking und St. Gallen. Seit mehr als 20<br />
Jahren lehrt Dietmar Eberle an internationalen<br />
Hochschulen, unter anderem<br />
in Hannover, Wien, Linz, Syracuse<br />
und Zürich, wo er von 2003 bis 2005<br />
Dekan der Architekturabteilung der<br />
Eidgenössischen Technischen Hochschule<br />
(ETH) war. Dietmar Eberle ist<br />
Ehrenmitglied im American Institute<br />
of Architects.<br />
www.baumschlager-eberle.com<br />
Herr Eberle, was haben die Kultur, in der Sie aufgewachsen<br />
sind, und Ihre Ausbildung zum Architekten<br />
Ihnen über Gebäudehüllen vermittelt?<br />
Welche eigenen neuen Erkenntnisse haben Sie in<br />
Ihrer Arbeit als Architekt gewonnen?<br />
Über den Technologiegehalt von Architektur –<br />
Stichwort ‚High Tech kontra Low Tech‘ – wurde und<br />
wird vor allem bei Gebäudehüllen viel diskutiert:<br />
Welche grundsätzlichen Interessen sehen Sie hier<br />
im Spiel, und wie ist Ihre Haltung in dieser Frage?<br />
Welche Auslöser werden die Entwicklung von Gebäudehüllen<br />
in naher Zukunft beeinflussen; und<br />
welche Entwicklungen sehen Sie voraus?<br />
Ich bin in Vorarlberg aufgewachsen, einer gebirgigen und ursprünglich strukturschwachen<br />
Region, in der über Jahrhunderte mit Bedacht und äußerster<br />
Sparsamkeit gewirtschaftet werden musste. Das größte Interesse lag hier<br />
immer beim Nutzen, also beim Verhältnis zwischen Aufwand und Ergebnis.<br />
Traditionelle Gebäude sind hinsichtlich Konstruktion, Form und Ausgestaltung<br />
der Fassade optimal an das regionale Klima angepasst. In ihnen steckt<br />
ein überzeugendes physikalisches Wissen, das auf jahrhundertealten Erfahrungen<br />
aufbaut und den Weg für einen haushälterischen Umgang mit beschränkten<br />
Ressourcen aufzeigt. Im Studium habe ich mir das erforderliche<br />
Rüstzeug erworben, um das physikalische und technisch-konstruktive Potenzial<br />
unterschiedlicher Materialien auszureizen. Ich habe gelernt, die Gebäudehülle<br />
nicht als feststehende Größe zu begreifen, sondern als eine aus<br />
mehreren Ebenen bestehende Übergangszone, die zwischen den Polen innen<br />
und außen, hell und dunkel, kalt und warm, öffentlich und privat vermittelt.<br />
Gerade Räume wie überdeckte Vorplätze, Eingangshallen, Loggien, nicht beheizte<br />
Wintergärten oder auch Fensterlaibungen sind von großem Reiz, weil<br />
sie immer beide Optionen beinhalten.<br />
Mir wurde klar, dass das Erscheinungsbild der Gebäudehülle eine Schlüsselposition<br />
in der Nachhaltigkeitsdebatte einnimmt. Wie die Erfahrung zeigt, ist es<br />
nicht die technische Qualität, die über die Lebensdauer eines Gebäudes entscheidet,<br />
sondern dessen soziale und kulturelle Dimension. Gebäude werden<br />
nur alt, wenn sie in der gesellschaftlichen Akzeptanz einen besonderen Stellenwert<br />
besitzen – und dieser entscheidet sich in erster Linie auf der sinnlichwahrnehmbaren<br />
Ebene. Architektur teilt sich dem Betrachter vor allem über<br />
ihre Oberfläche mit; bei einer Gebäudebeschreibung ist die Materialisierung<br />
der Gebäudehülle das meistgenannte Merkmal. Als Architekt lege ich deshalb<br />
großen Wert auf natürliche Materialien, die in Würde altern. Außerdem habe<br />
ich erkannt, dass die gerade erwähnte Verräumlichung der Fassade eine besondere<br />
Qualität darstellt in der Kommunikation des Gebäudes nach außen.<br />
Bei all diesen Diskussionen um den Technologiegehalt von Gebäuden gerät<br />
doch das eigentliche Thema gerne in Vergessenheit: die Behaglichkeit. Dabei<br />
ist sie es, um die es beim Bauen letztlich geht. Was interessiert es die Leute,<br />
ob das Gebäude ein paar Watt mehr oder weniger verbraucht; stattdessen<br />
zählen für sie in erster Linie der Komfort und die Aufenthaltsqualität in den<br />
Räumen. Ich persönlich bin der Meinung, dass alles an Technik, was dem Komfortbegriff<br />
nicht direkt und unbedingt zuträglich ist, weggelassen werden<br />
sollte. Gerade bewegliche Techniken, die einer konstanten mechanischen Beanspruchung<br />
ausgesetzt sind, bedingen periodische Instandhaltungsarbeiten.<br />
Sie unterliegen meist einem schnelleren Verfallsprozess, als dies beispielsweise<br />
bei statischen Elementen der Fall ist. Im Übrigen besteht Komfort auch darin,<br />
dass so wenig Bedienung wie möglich erforderlich ist. Damit ein Gebäude<br />
nachhaltig und langfristig funktioniert, muss man die Technik nicht optimieren,<br />
sondern minimieren.<br />
Ein Thema von großer gesellschaftlicher Relevanz ist die Senkung des Energieverbrauchs.<br />
In den entwickelten Gesellschaften werden 50 bis 60 % des<br />
Primärenergiebedarfs allein für die Errichtung und das Betreiben von Gebäuden<br />
aufgewendet. Wir, die wir im Bauwesen engagiert sind, können, müssen<br />
also die wesentlichen Beiträge zur Verbesserung der Ressourcenproblema-<br />
52 D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05