05.01.2014 Aufrufe

DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl

DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl

DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

gramme zu interpretieren, als ursprüngliche Szenarien von Gewalt und Zerstörung,<br />

die sich in diesen Orten der Verwüstung offenbaren. Es liegt mir fern,<br />

den Bildern eine bestimmte Bedeutung zuzuschreiben; sie sind vielmehr als<br />

Metaphern für den entropischen Verfall von Raum und Zeit in der postmodernen<br />

Kultur zu verstehen.<br />

Bei der Bilderserie ‚Terminal Mirage‘ ließ ich mich durch Robert Smithsons<br />

Schriften über den Great Salt Lake inspirieren und konzentrierte mich auf die<br />

rasterförmig angelegten Gebiete rund um den See – riesige Verdunstungsbecken<br />

inmitten des Militärgebiets des Tooele-Waffenlagers, wo abgelaufene<br />

chemische Waffen gelagert und verbrannt werden. Diese Aufnahmen sind<br />

nicht maßstabsbezogen, die fotografierten ‚Fakten‘ sind vielmehr eine Reihe<br />

verwirrender Wendungen. Terminal Mirage beschäftigt sich ebenfalls mit den<br />

Grenzen rationaler Kartographie. Die rasterförmig angelegten Verdunstungsbecken<br />

offenbaren eine Art transgressiver Architektur, ein endloses Labyrinth<br />

über der Oberfläche des Sees und an dessen Ufern. Seinen Namen verdankt<br />

das Projekt Terminal Mirage der Tatsache, dass der Great Salt Lake wirklich<br />

ein abgeschlossener See ohne natürliche Zu- und Abflüsse ist. Dieser klaustrophobische,<br />

ausweglose, existenzialistische Aspekt weckte meine Neugier. Mit<br />

dem Wort ‚mirage‘ soll zum Einen der nachhaltig halluzinatorische Charakter<br />

der Ausdehnung des Great Salt Lake beschrieben werden – das beständige<br />

Licht, das auf ihn strahlt und von seiner Oberfläche reflektiert wird -, zum Anderen<br />

soll betont werden, wie diese Bilderserie unsere Sichtweise und Wahrnehmung<br />

grundsätzlich in Frage stellt.<br />

Wie reagieren wir Menschen Ihrer Erfahrung nach<br />

auf Zerstörung und Verschmutzung der Umwelt?<br />

Nehmen die meisten von uns den Blickwinkel des<br />

Luftfotografen ein, um sich von diesem ‚wunden<br />

Punkt‘ zu distanzieren und aus der Ferne nur das<br />

Positive wahrzunehmen?<br />

Vorhergehende Doppelseite:<br />

David Maisel: The Lake Project<br />

9823-4, 2002<br />

David Maisel: Terminal Mirage<br />

206-7, 2003<br />

Gegenüber:<br />

David Maisel: The Lake Project<br />

9802-1, 2002<br />

Die verführerische, aber trügerische<br />

Schönheit seiner Luftaufnahmen<br />

ist für David Maisel<br />

eine Metapher für die Haltung<br />

des Menschen gegenüber der<br />

Natur: „Unsere heutige Gesellschaft<br />

wird zu dem Glauben verführt,<br />

dass es unwichtig sei, wie<br />

wir leben.“<br />

Konfrontiert mit der Zerstörung unserer Erde durch unser eigenes Wirken, die<br />

Zivilisation und den industriellen Fortschritt, fühlen sich die meisten Menschen<br />

beim Betrachten meiner Bilder verwirrt, entsetzt und alarmiert. Ob sie meine<br />

Bilder als Aufruf zum Handeln verstehen, weiß ich nicht. Ich bin mir auch nicht<br />

sicher, ob meine Bilder eine derart direkte Wirkung zeigen sollen. Meine Motivation<br />

ist, Orte zu entdecken, die anderenfalls unbekannt oder unbeachtet blieben–<br />

seien es Kahlschlaggebiete, Tagebaue, Cyanid-Laugereifelder oder andere.<br />

Meine Aufnahmen sollen innere psychische Landschaften reflektieren, sind aber<br />

gleichermaßen als Dokumentationen spezieller Gebiete anzusehen. Ich selbst<br />

verstehe mich in erster Linie als visuellen Künstler, im Gegensatz vielleicht zu<br />

Fotojournalisten und Dokumentarfilmern. Mein Hauptinteresse gilt der Aufnahme<br />

von Bildern, die in visuellem Sinne unter die Haut gehen und eine gewisse<br />

poetische oder metaphorische Wirkung erzielen.<br />

Kunst kann durchaus politische Züge haben, und auch ich verfolge mit meinen<br />

Bildern eine politische Botschaft (ich glaube nicht, dass irgendjemand jahrzehntelang<br />

Fotoaufnahmen von mehr oder minder zerstörten Naturgebieten<br />

machen kann, ohne hierbei ein politisches Bewusstsein zu entwickeln!). Trotzdem<br />

möchte ich mit meinen Werken niemanden anklagen oder verurteilen – ich<br />

denke, diese Aufgabe haben wir gemeinsam als Gesellschaft zu erfüllen. So einfach<br />

liegen die Dinge nicht, als dass man mit erhobenem Zeigefinger auf dieses<br />

oder jenes Industrieunternehmen zeigen könnte. Meine Arbeiten sind keinesfalls<br />

dokumentarisch, dazu fehlt ihnen die nötige Objektivität. Sie haben theoretischen,<br />

nicht kartographischen Charakter und dienen vielmehr der Erforschung<br />

des Unbewussten denn der objektiven Darstellung. Allesamt tragen sie meinen<br />

persönlichen Stempel und verkörpern eine Form der Meditation.<br />

Vorwiegend interessieren mich die ineinandergreifenden Welten von Ethik<br />

und Ästhetik. Im Grunde geht es, denke ich, um eine Art von ‚ästhetischem‘<br />

oder ‚unterbewusstem‘ Aktivismus, womit ich direkt zu Ihrer Frage nach dem<br />

schönen Schein komme. Schönheit offenbart sich für mich nicht darin, einfach<br />

‚nur schön‘ zu sein. In den visuellen Künsten wird Schönheit allgemein mit<br />

Skepsis betrachtet, da wir auf sie als seriöses Darstellungsmittel nicht länger<br />

vertrauen. Doch sie kann durchaus eines sein: Schönheit prägt sich dem<br />

künstlerischen Raum strukturartig auf, um etwas darzustellen, das uns bislang<br />

noch unbekannt oder unbegreiflich ist. Ein schönes Objekt oder Bild muss<br />

nicht zwangsläufig oberflächlich sein, sondern kann durchaus eine Bedeutung<br />

oder eine beunruhigende, subversive Wirkung haben, die uns zusammenzucken<br />

lässt. Mein Interesse gilt vorwiegend einer Form von Schönheit, die ein<br />

gewisses Entsetzen und Erschrecken in sich birgt – Schönheit nicht als Balsam<br />

für die Seele, sondern als eine Art Waffe, sozusagen als moderne Fortführung<br />

der Auffassung von Erhabenheit im neunzehnten Jahrhundert, was<br />

uns einigen Aufschluss über unseren heutigen Entwicklungsstand in der Geschichte<br />

liefern sollte. In seinem Essay ‚Notes on Beauty‘ schreibt der Kritiker<br />

Peter Schjeldahl: „Die Schönheit, als solche gegenstandslos, kann mentales<br />

Heilmittel sein, das andere Elemente auflöst und überstrahlt.“<br />

36 D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!