TAGESLICHT IM DETAIL Genauer hingesehen: Wie Tageslicht in Gebäude gelangt. VIRTUELLES LICHT UND DIGITALE SCHATTEN GRAFIK: DYLAN COLE D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05
Von Eric Hanson. Von den ersten, flächigen und ‚tapetenhaften‘ Lichtund Materialdarstellungen bis zur heutigen, hyperrealistischen Wiedergabe von Strukturen und Oberflächen hat die Computergrafik enorme Fortschritte erzielt. Diese Entwicklung ist vor allem höheren Rechnerleistungen und besseren Software- Algorithmen zu verdanken. Doch standardisierte Rendering-Tools machen es für die Grafiker auch zunehmend schwierig, ihre künstlerische Freiheit bei der Darstellung von Licht und Schatten zu bewahren. Das Licht spielt in allen Kunstformen eine wesentliche Rolle, hat aber vielleicht nirgends eine so zentrale Bedeutung wie im Film. Angefangen vom klassischen Film Noir wie Der Malteserfalke bis zur modernen Chiaroscuro-Technik wie in Sin City trägt das Licht wesentlich zu Charakter und Inhalt jedes Films bei. Revolutionäre Digitaltechnik hat die moderne Filmproduktion nachhaltig verändert: Die Kunst synthetischer Lichtsimulation wurde zum zentralen Thema. Während frühere digitale, zweidimensionale Filmeffekte (das sogenannte ‚Compositing‘) an collagenartige Fotosequenzen erinnerten, gehört heute die dreidimensionale Rendering- und Animationstechnik zum Standardrepertoire jedes Films und bietet die Möglichkeit, komplett synthetische Welten und Charaktere zu schaffen, ohne auf die hohe Kunst des lebendigen Schauspiels zurückzugreifen. Schon 1981 formulierte der französische Sozialtheoretiker Jean Baudrillard in seiner Abhandlung Simulacra and Simulation über die Gefahren der Künstlichkeit die nihilistische Befürchtung, dass die Wertschätzung des Überrealen die fundamentale Bedeutung des Realen ablösen werde – ein jüngst in der Matrix- Serie thematisierter Aspekt. Die Qualität digitaler Beleuchtung, allein auf die exakte Reproduktion der komplexen Nuancen echten Lichts ausgerichtet, wird stets an der Realität gemessen, kann diese aber niemals erreichen. Eine passende Analogie für künstlich erzeugtes Licht ist René Magrittes Bild Ceci n‘est Pas Une Pipe, das uns davor warnt, das Abbild höher als die Realität zu bewerten. In der Praxis digitaler Beleuchtung wird dies berücksichtigt: Die synthetische Bilderzeugung ist stets an der Fülle und Komplexität der Wirklichkeit orientiert. Technisch gesehen war dies nicht immer der Fall. Die ersten digitalen Beleuchtungsmethoden waren stark vereinfachend und in ihrer Darstellung der Lichtkomplexität äußerst begrenzt. Die vielfältigen Möglichkeiten computertechnischer Bilderzeugung (englisch: Computer Graphics Imagery oder CGI) zeigten sich erstmals in Filmen wie Jurassic Park oder Terminator 2: Hier ließ sich das unglaubliche Potenzial der Computergrafik für das Filmgeschäft erahnen, wenngleich die durchaus geschickt eingesetzte Beleuchtung hauptsächlich der Charakterzeichnung diente. Spätere Versuche, allumfassende fotorealistische Welten wie in Final Fantasy zu schaffen, konnten nicht überzeugen, da die damalige Technologie gewisse Grenzen setzte. Die ursprüngliche Form der computergrafischen Beleuchtung (Direct Illumination) zeichnet sich dadurch aus, reale Lichtquellen wie Spots und bewegliche Scheinwerfer in die dreidimensional dargestellte Welt einzubeziehen. Solche Lichtquellen können zwar physikalische Lichteigenschaften wie Trübung und Abschwächung oder auch Farbgebungen simulieren; doch die abstrakten Lichtstrahlen werden sofort unterbrochen, wenn sie auf eine Oberfläche treffen. Die begrenzten Möglichkeiten dieser Technik offenbaren sich dadurch, dass das Licht mit den Oberflächen nicht interagieren kann. Da die Rechenzeit (ein stetes Problem bei der CGI-Animation) aber idealerweise auf ein Minimum beschränkt sein sollte, greifen Filmproduzenten dennoch gerne auf diese ‚primitive‘ Beleuchtungsmethode zurück. Die direkte Illuminationstechnik etablierte sich nicht zuletzt durch die Einführung von RenderMan in Feature-Filmen. RenderMan, maßgeblicher Standard für das CGI-Rendern in moderner Filmtechnik, wurde ursprünglich in den Achtziger Jahren von den Pixar Animation Studios entwickelt und wird auch heute noch häufig zur Erzeugung von Spezialeffekten eingesetzt. Pixar, damals im Bereich der Computergrafik führend, wollte ein standardisiertes Verfahren für das 3D-Rendering etablieren. RenderMan wurde zunächst als zukünftiger Postscript-Standard im 3D-Bereich gerühmt – wegen der auf die Programmierer beschränkten Zugriffsmöglichkeiten bewahrheitete sich dies aber allenfalls für High End-Projekte wie Feature-Filme. Für diese Industrie nachhaltiger von Bedeutung hingegen war die von Pixar agressiv betriebene Patentpolitik zur Lösung zahlreicher Grundprobleme beim Rendering, so z.B. die Bewegungsverfremdung oder das Antialiasing 1 . Daher können bis heute nur wenige Entwickler mit der eleganten und effizienten Technologie von RenderMan konkurrieren. Sogar mit den ursprünglich begrenzten (mittlerweile weiterentwickelten) Möglichkeiten einfacher Direktbeleuchtung avancierte RenderMan zum Standard bei der Produktion von Feature-Filmen. Für die CG-Lichtexperten bedeutete dies allerdings, sich angesichts beschränkter realer Lichtmittel zunehmend auf ihr künstlerisches Geschick verlassen zu müssen, um per Software überzeugende Spezialeffekte zu erzeugen – ähnlich einer blanken Leinwand, die durch bloße Vorstellungskraft des Künstlers gefüllt werden will. In den Anfängen ließen die per CGI-Technik erstellten Objekte häufig die komplexe Wechselwirkung D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05 85