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DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl

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Rechts:<br />

Steven Holl: Konzeptskizze für<br />

die St. Ignatius Chapel in Seattle<br />

Sieben ‚Flaschen aus Licht‘ in<br />

einem Kasten aus Stein – so<br />

beschreibt Steven Holl das<br />

Entwurfskonzept für seine<br />

Kapelle auf dem Universitätscampus<br />

von Seattle. In diesem<br />

Aquarell gibt er ihre ungefähren<br />

Volumina wieder und deutet<br />

überdies die funktionale Gliederung<br />

des Bauwerks an.<br />

Gefäße mit Licht in einer Schachtel aus Stein. Die Metapher<br />

des Lichtes wird durch unterschiedliche Volumina geformt –<br />

ausgehend vom Dach, dessen Unregelmäßigkeit unterschiedliche<br />

Lichtqualitäten erzeugt, vereint in einer gemeinsamen<br />

Zeremonie. Die Frage ist nur, ob die konzeptionelle Wasserfarbenzeichnung<br />

Holls in der Lage ist, dem komplexen Spiel zwischen<br />

Raum, Licht, Schatten und Reflexion tatsächlich gerecht<br />

zu werden, und ob wir auf andere (sogar messbare oder simulierbare)<br />

Erfahrungen vertrauen können als auf die persönliche<br />

und künstlerische.<br />

Meiner Meinung nach werden wir Architekten in Zukunft<br />

nur noch für zwei Dinge zuständig sein: den Raum und das<br />

Licht, vor allem das Tageslicht. Darin besteht konkurrenzlos<br />

unsere ganze Kompetenz. Ich schreibe hier bewusst ein wenig<br />

polemisch, denn die genaue Erklärung würde den Rahmen dieses<br />

Textes sprengen. Dabei werden uns neue Computertechnologie<br />

und Rendering-Verfahren von Nutzen sein. Allerdings ist die<br />

Lichtsimulation nicht nur Erzeugung eines wissenschaftlichen<br />

Bildes, sondern hat auch einen künstlerischen Anspruch. Abgesehen<br />

von den Informationen technischer Natur lässt sich mit<br />

diesem Werkzeug auch eine entwerferische Absicht überprüfen<br />

und dem Betrachter verdeutlichen. Es wäre ein Irrtum zu glauben,<br />

dass die Renderings nur Oberflächenmalerei seien. Bilder,<br />

Images und Zeichnungen bilden Wirklichkeit nicht einfach ab,<br />

sondern sind das Ergebnis eines simulierenden Prozesses. Dieses<br />

Bild ist kein Portrait, sondern ein Modell, beleuchtet mit virtuellen<br />

Lichtquellen, wobei Parameter durch komplexe Verfahren<br />

determiniert sind.<br />

Die Bilder werden immer interpretiert und unterschiedlich<br />

gelesen, und sehr selten denkt man mit den Augen. Viel öfter<br />

sucht man nach einer Empfindung und Stimmung, also einer<br />

völlig subjektiven Betrachtungsweise. Das ist eine Herausforderung<br />

für die Bilder, die auch einen wissenschaftlichen Charakter<br />

haben sollen. Wissenschaftliche Bilder sind Produkte eines<br />

langwierigen und komplexen Herstellungs- und Selektionsprozesses<br />

mit vielen Verarbeitungsschritten, Entscheidungen und<br />

Kontingenzen. So können sie sich irgendwann von ihrem Herstellungskontext<br />

lösen und eine eigene Realität gewinnen. Der<br />

Eindruck, auf einen objektiven Zustand der realen Welt gestoßen<br />

zu sein, stellt sich erst dann ein, wenn die experimentell<br />

erzeugten Phänomene ‚Sinn‘ machen, das heißt, wenn es gelungen<br />

ist, zwischen den theoretischen Erwartungen, den beobachteten<br />

Ereignissen und dem Verständnis der Funktionsweise der<br />

verwendeten Rechen- und Auswertungsverfahren eine Übereinstimmung<br />

herzustellen.<br />

Die Bilder sind Werkzeuge, mit denen gearbeitet wird. Um<br />

ihren Zweck zu erfüllen, sollten sie als Arbeitsinstrumente verstanden<br />

werden, auch dann, wenn es nicht nur um pragmatische<br />

und objektive Qualitäten der Räume geht. Man sollte sie nicht<br />

als eine ‚Beilage‘ verstehen, die dazu dient, ein Projekt zu erklären<br />

oder gar zu verschönern. Im Prozess der computerbasierten<br />

Bildgenerierung erweist sich die Interaktivität als grundlegendes<br />

Mittel, um Entwürfe besser prüfen und verbessern zu können,<br />

nicht bloß, um sie darzustellen. Der Bildergebrauch erweist sich<br />

hier als Arbeitsprozess, in den der Computer und das menschliche<br />

Auge integriert sind und der sich, aufgrund bildtechnologischer<br />

Entwicklungen, auf einen Raum visueller Virtualität<br />

hinbewegt. Wenn die Science-fiction-Vision ‚Virtual Light‘ von<br />

William Gibson wahr wird, steuern wir in eine Zukunft, in der<br />

die optische Sensation direkt im Auge entsteht, ohne Photonen<br />

als Lichtträger.<br />

‚Imagining‘ (die Vorstellung) und ‚Imaging‘ (die Erzeugung<br />

von Bildern) fallen dann in eins, aber das endgültige Bild wird<br />

sich weiter entwickeln, wenn wir lernen, mit dem Auge zu verstehen,<br />

und wenn wir die Bilder nicht lesen, um sie zu deuten,<br />

sondern um reale oder virtuelle Umgebungen zu simulieren und<br />

sie auf ihre Qualitäten zu überprüfen. Dabei ist es gleichgültig,<br />

ob es sich um logisch greifbare oder um sensuelle Eigenschaften<br />

handelt. Das bedeutet, dass die neue Zeichnung nicht nur der<br />

exakten, technischen und fotorealistischen Darstellung der erdachten<br />

zukünftigen Welten dient, sondern auch die künstlerisch<br />

optionale Erfassung der räumlichen Wahrnehmung voraussagen<br />

kann.<br />

Ivan Redi leitet gemeinsam mit Andrea Redi das Büro ORTLOS (www.<br />

ortlos.com) für innovative Architektur und Interface-Design. Er studierte<br />

Architektur bei Günter Domenig an der Technischen Universität Graz und<br />

arbeitete danach unter anderem bei Morphosis in Santa Monica/USA.<br />

Derzeit arbeitet Ivan Redi an seiner Dissertation über neue Entwurfsmethoden<br />

in der Architektur und lehrt architektonisches Entwerfen an der<br />

TU Graz. Daneben ist er Mitherausgeber des Buchs ‚ORTLOS: Architecture<br />

of the NetWORKS‘ (erschienen 2005 bei Hatje Cantz).<br />

ZEICHNUNG: STEVEN HOLL ARCHITECTS<br />

82 D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05

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