DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl
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BÜCHER<br />
REZENSIONEN<br />
Zum Weiterlesen:<br />
Aktuelle Bücher,<br />
präsentiert von D&A.<br />
DESIGN LIKE YOU GIVE<br />
A DAMN<br />
Herausgeber:<br />
Architecture for Humanity<br />
Metropolis Books 2006<br />
ISBN 1–933045–25–6<br />
Wir schreiben das Jahr 2006. Alle<br />
Welt blickt gebannt auf das Wachstum<br />
Shanghais, die künstlichen Inseln<br />
vor der Küste Dubais und den Wiederaufbau<br />
des World Trade Center. Alle<br />
Welt? Nicht ganz. Eine wachsende<br />
Gemeinschaft vor allem jüngerer Architekten<br />
entzieht sich dem Wettlauf<br />
um den repräsentativsten Firmensitz,<br />
das luxuriöseste Holiday-Resort und<br />
den höchsten Wolkenkratzer der<br />
Welt und widmet sich einer noch größeren<br />
Herausforderung: für die mehr<br />
als eine Milliarde Katastrophenopfer<br />
und Bürgerkriegsflüchtlinge, Slumbewohner<br />
und Obdach lose auf der Erde<br />
menschenwürdige Behausungen zu<br />
schaffen. Zu den führen den Köpfen<br />
der Bewegung gehören der amerikanische<br />
Architekt Cameron Sinclair<br />
und seine Ehefrau, die Journalistin<br />
Kate Stohr, die mit ihrer Organisation<br />
Architecture for Humanity für ‚Design<br />
Like You Give A Damn’ verantwortlich<br />
zeichneten. Eingangs des Buchs beschreibt<br />
Sinclair seinen eigenen Werdegang,<br />
der symptomatisch für den<br />
so vieler Aktivisten in der Entwicklungs-<br />
und Katastrophenhilfe ist: Eine<br />
berufliche Sinnkrise („Ich war dabei,<br />
Verkaufsautomaten für Lippenstifte<br />
für einen Ort zu entwerfen, an dem<br />
der durchschnittliche Wochenlohn<br />
dem Kaufpreis eines Lippenstifts entsprach“),<br />
ein sozial engagierter Mentor<br />
und eine Reise in eine notleidende<br />
Region (das von HIV/AIDS heimgesuchte<br />
Südafrika) führten ihn zur<br />
Gründung seiner Organisation, die anfangs<br />
vor allem durch Ausstellungen<br />
und Architekturwettbewerbe bekannt<br />
wurde.<br />
In ‚Design Like You Give A Damn’<br />
dokumentieren Sinclair und Stohr<br />
die Entwicklung von Notunterkünften<br />
und Interims-Wohnbauten der<br />
vergangenen 100 Jahre; genauer:<br />
seit dem Erdbeben von 1906 in San<br />
Francisco, sowie die Rahmenbedingungen,<br />
unter denen diese entstanden<br />
sind. Vor allem jedoch zeigen sie<br />
aktuelle Lösungsansätze auf, denn<br />
noch nie folgten den Statistiken zufolge<br />
humanitäre und Naturkatastrophen<br />
so rasch aufeinander wie heute.<br />
Dabei ist das Medieninteresse, das<br />
eine Katastrophe hervorruft, nicht<br />
immer ein objektiver Gradmesser.<br />
Denn verheerender noch als Erdbeben<br />
oder Sturmfluten sind oftmals<br />
lang anhaltende Bürgerkriege, Dürreperioden<br />
oder die HIV/AIDS-Epidemie<br />
in Afrika, die Hilfsorganisationen<br />
bis an die Grenzen ihrer Belastbarkeit<br />
fordert. ‚Design Like You Give A<br />
Damn’ macht deutlich, wie vielfältige<br />
Formen ‚Architektur’ für Bedürftige<br />
weltweit annehmen kann. Sie reicht<br />
von den Zeltstädten des UNHCR bis<br />
zur Schlafsack-Spendenaktion für<br />
Obdachlose in Baltimore und vom<br />
Frauenhaus im Senegal bis zu den<br />
Bauten des ‚Rural Studio’ im Süden<br />
Alabamas. In mehreren Interviews<br />
haben die Herausgeber die Protagonisten<br />
‚humanitärer Architektur’ zu<br />
ihren Erfahrungen befragt. Die Antworten<br />
ringen Bewunderung ab und<br />
desillusionieren zugleich: Deutlich<br />
wird darin, wie viel selbst Einzelpersonen<br />
mit beschränkten Budgets erreichen<br />
können, aber auch, welche<br />
Hürden sich ihnen in den Weg stellen.<br />
Zu Bürokratie und Korruption gesellen<br />
sich logistische Probleme und kulturelle<br />
Barrieren. Vorfabrizierte, über<br />
alle Kulturgrenzen hinweg ‚gültige’<br />
Einheitslösungen sind daher selbst<br />
im Wohnbau der niedersten Preiskategorie<br />
auf dem Rückzug; das Bauen<br />
mit lokalen Ressourcen – Materialien<br />
ebenso wie Arbeitskräften – scheint<br />
zur Erfolgsvoraussetzung geworden<br />
zu sein.<br />
Man möchte ‚Design Like You<br />
Give A Damn’ einen breiten Leserkreis<br />
wünschen; wohl wissend, dass<br />
damit allein noch nichts erreicht ist.<br />
Denn, in den Worten eines Entwicklungshelfers,<br />
„Wir brauchen nicht<br />
eure Aufmerksamkeit, wir brauchen<br />
eure Unterstützung!“. Diese erfordert,<br />
wenn sie ernst gemeint ist, meist ein<br />
Umdenken bei den Architekten. Oftmals<br />
wissen die Betroffenen viel besser,<br />
was sie benötigen, als die selbst<br />
ernannten ‚Experten‘. Zum Beispiel<br />
sauberes Trinkwasser statt neuer<br />
Fenster oder Arbeit statt gepflasterter<br />
Gehwege. Das wirft die Frage<br />
auf, inwieweit der Architekt in diesen<br />
Projekten überhaupt noch als Gestalter<br />
benötigt wird. Der Architekt Maurice<br />
D. Cox aus Charlottesville, der mit<br />
dem Bayview Rural Village an der<br />
US-amerikanischen Ostküste ein viel<br />
beachtetes humanitäres Siedlungsprojekt<br />
realisiert hat, gibt in seiner<br />
Antwort gleichsam die Quintessenz<br />
des ganzen Buchs wieder: „Wir müssen<br />
dort sein, wo Probleme existieren.<br />
Wenn die Entscheidungen getroffen<br />
werden, müssen wir anwesend sein,<br />
um unsere Meinung äußern zu können.<br />
Dann werden auch unsere Fähigkeiten<br />
nachgefragt werden, und<br />
wir werden erreichen, dass auch Gestaltungsfragen<br />
ernst genommen<br />
werden. Entwerfer müssen sich als<br />
Führungspersonen in der Zivilgesellschaft<br />
engagieren und zur rechten<br />
Zeit am richtigen Ort sein.“<br />
THE EXPANDED EYE<br />
Herausgeber: Kunsthaus Zürich,<br />
Bice Curiger<br />
Hatje Cantz Verlag 2006<br />
ISBN 3–7757–814–1<br />
,Sehen – entgrenzt und verflüssigt‘<br />
lautet der Untertitel dieses Katalogs<br />
und der gleichnamigen Ausstellung,<br />
die im Sommer 2006 im Kunsthaus<br />
Zürich stattfand. Wer dabei an Drogenrausch<br />
und Technikbegeisterung<br />
denkt, liegt gar nicht so falsch:<br />
Die Kunst der 60er-Jahre spielt die<br />
Hauptrolle in ‚The Expanded Eye‘,<br />
namentlich die Erforschung des<br />
menschlichen Sehens und seines<br />
Wahrnehmungsapparates aus Auge<br />
und Gehirn, den die Op-Art und der<br />
Experimentalfilm mit ihren ‚entgrenzenden‘<br />
Vexier- und Flimmerbildern in<br />
seiner Fehlbarkeit und Manipulierbarkeit<br />
darzustellen suchten. Der viel zitierte<br />
und gelegentlich missbrauchte<br />
Begriff vom ‚Aufbrechen der Sehgewohnheiten‘<br />
entstand seinerzeit und<br />
mit ihm die Idee, das ‚Sehen sehen zu<br />
lernen‘, die bis heute zum Beispiel in<br />
der Arbeit von Olafur Eliasson fortlebt.<br />
Die Auswahl der mehr als 100<br />
Kunstwerke in Ausstellung und<br />
Buch beginnt bei Marcel Duchamps<br />
frühen ‚Rotoreliefs‘ aus den 30er-<br />
Jahren – runde Scheiben mit asymmetrischen,<br />
farbigen Mustern, die<br />
bei schneller Rotation zu konzentrischen<br />
Farbkreisen verlaufen – und<br />
reicht über die ‚Licht-Raum-Modulatoren‘<br />
von Laszlo Moholy-Nagy und<br />
die Op-Art bis in die heutige Zeit –<br />
116 D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05