DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl
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Ulrike<br />
Brandi<br />
Ulrike Brandi leitet gemeinsam mit<br />
Dr. Christoph Geissmar-Brandi das<br />
Büro Ulrike Brandi Licht in Hamburg,<br />
mit dem sie Lichtplanungskonzepte<br />
unter anderem für das British Museum<br />
in London, das Mercedes-Benz-<br />
Museum in Stuttgart, den Pudong<br />
Airport in Shanghai und die Elbphilharmonie<br />
Hamburg entwickelt hat.<br />
Neben ihrer praktischen Tätigkeit initiierte<br />
Ulrike Brandi zahlreiche Forschungsvorhaben,<br />
unter anderem<br />
zur Verwendung von Glas im Museumsbau<br />
sowie zur Entwicklung von<br />
Leuchtdioden. Sie ist Autorin mehrerer<br />
Fachbücher zum Thema Licht,<br />
unter anderem dem ‚Lichtbuch‘ , das<br />
2001 bei Birkhäuser erschienen ist.<br />
www.ulrike-brandi.de<br />
Frau Brandi, was haben die Kultur, in der Sie aufgewachsen<br />
sind, und Ihre Ausbildung Ihnen über<br />
Licht vermittelt?<br />
Noch stärker und unmittelbarer als die Kultur hat die Landschaft, in der ich<br />
aufgewachsen bin, mein Licht-Bewusstsein beeinflusst. In Norddeutschland<br />
gibt es Tageslicht aus einer 180°-Himmelskuppel über einer flachen grünen<br />
Landschaft. Wohnungen mit Westfenstern erlauben den Blick auf den Sonnenuntergang,<br />
der wie Feuer aussehen kann. Bei seinem Anblick gerate ich<br />
ins Schwärmen.<br />
Gleichzeitig beeinflussen die großen Physiker und Astronomen wie Johannes<br />
Kepler, Isaac Newton, Galileo Galilei meinen Umgang mit Licht. Ich bewunderte<br />
ihre Entdeckungen über Eigenschaften des Lichtes und die Formulierungen<br />
von Gesetzen. Spektralanalysen erzählen von Materie in unvorstellbarer Ferne.<br />
Mit Licht messen wir Bewegungen von Himmelskörpern. Licht ist schnell – und<br />
trotzdem erlaubt es uns den Blick in die Vergangenheit des Weltalls.<br />
Was unsere Kultur angeht, fallen mir einige schöne Gedichte über das Licht ein;<br />
zum Beispiel ‚Das Fräulein stand am Meere’ von Heinrich Heine:<br />
Das Fräulein stand am Meere<br />
Und seufzte lang und bang,<br />
Es rührte sie so sehre<br />
Der Sonnenuntergang.<br />
„Mein Fräulein! Sein Sie munter,<br />
Das ist ein altes Stück:<br />
Hier vorne geht sie unter<br />
Und kehrt von hinten zurück.“<br />
Übrigens, meine Ausbildung bezüglich des Lichts findet weiter dauernd statt,<br />
insofern gibt es da keine fertigen Lehren aus einer früheren Zeit. – Als ich mich<br />
auf Lichtplanung spezialisierte, hatte ich Angst, dass dieses vermeintlich ‚eingeschränkte‘<br />
Thema für ein ganzes Leben nicht reichen könnte – heute weiß<br />
ich, dass ein ganzes Leben für das Thema Licht nicht ausreicht.<br />
Oft wird behauptet, Licht sei in der zeitgenössischen<br />
Architektur zu einem ‚Material‘ im eigenen<br />
Sinne geworden oder werde wie ein solches<br />
verwendet. Trifft das Ihrer Meinung nach zu?<br />
Nein, Licht spielt mit verschiedensten Materialien und Oberflächen, aber es<br />
ist kein ‚Baustein‘ von Häusern. Es ist einfach da, oder es wird geschickt zum<br />
Fenster hereingelassen, fein reflektiert – es hat eine völlig andere Existenz<br />
als jedes Material.<br />
In der Lichtplanung wird heute nicht länger über die<br />
Alternative ‚Tages- oder Kunstlicht‘ diskutiert, sondern<br />
immer häufiger über die gegenseitige Ergänzung<br />
von Tages- und Kunstlicht. Ist die Arbeit des<br />
Lichtplaners dadurch leichter, schwieriger oder einfach<br />
interessanter geworden?<br />
Tages- und Kunstlicht alternativ zu diskutieren wäre dumm, vielleicht passiert<br />
das, wenn man einen rein ‚elektrotechnischen‘ Zugang wählt. Für mich beginnt<br />
schon immer Kunstlichtplanung mit einer Betrachtung des spezifischen Tageslichts<br />
des besonderen Ortes. Steht die Sonne im Sommer hoch? Wie weit<br />
fällt das Sonnenlicht abends in den Raum hinein? Zieht sich die Dämmerung<br />
lange hin? Ist das Wetter eher klar oder wolkenreich? Ähnlich wird der Architekt<br />
denken, bevor er sich für bestimmte Materialien entscheidet und am<br />
schönsten ist es, wenn er sich mit mir darüber austauscht.<br />
60 D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05