DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl
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01<br />
Roberto<br />
Casati<br />
Roberto Casati, Forschungsleiter<br />
des Staatlichen Instituts für Forschung<br />
und Entwicklung (CNRS) in<br />
Paris, lehrt an der Universität IUAV<br />
in Venedig. 1985 schloss er sein Diplomstudium<br />
der Sprachphilosophie<br />
an der Universität Mailand ab, zusammen<br />
mit Andrea Bonomi, unter<br />
dessen Leitung er 1991 im Fachbereich<br />
Philosophieforschung promovierte.<br />
Im selben Jahr erhielt er an der<br />
Universität Genf ein Forschungsdoktorat;<br />
hier arbeitete er mit Kevin Mulligan<br />
zusammen und beschäftigte<br />
sich mit Farb- und Lautlehre. Sein<br />
Buch ‚Die Entdeckung des Schattens‘<br />
wurde in sieben Sprachen übersetzt<br />
und mit diversen Literaturpreisen<br />
ausgezeichnet (Premio Fiesole, Premio<br />
Castiglioncello und Prix de La<br />
Science Se Livre).<br />
www.shadowes.org<br />
Herr Casati, was haben die Kultur, in der Sie aufgewachsen<br />
sind, und Ihre Ausbildung Ihnen über<br />
Licht vermittelt?<br />
Welche Eigenschaften des Lichts haben Sie selbst<br />
entdeckt, die Sie faszinieren?<br />
In Italien, wo ich geboren und aufgewachsen bin, müssen sich die Menschen<br />
oft eher vor dem Licht schützen, als es zu suchen. Meistens sind die in dicke<br />
Hausmauern eingelassenen Fenster recht klein, und fast immer sind sie mit<br />
Rollläden oder Vorhängen versehen. Hier wird das Licht weniger als Ressource,<br />
sondern vielmehr als Problem betrachtet. In den Ländern nördlich der Alpen<br />
gilt das Gegenteil. In Paris wohne ich in einem Gebäude, dessen Wahrzeichen<br />
Licht und Helligkeit sind: Le gratte ciel n° 1, der erste von Edouard Albert in<br />
Frankreich errichtete Wolkenkratzer, zeichnet sich durch große Glasfronten,<br />
leichte Mauerstrukturen und nach außen aufgehende Fenster aus. Trotzdem<br />
wohne ich – was einerseits widersprüchlich erscheinen mag, andererseits seinen<br />
Ursprung in meinem cis- und transalpinen ‚Doppelleben‘ hat – unten im<br />
zweiten Stock nach Nordwesten, und einer meiner Wohnräume hat überhaupt<br />
kein Fenster (da der Wolkenkratzer in der Talmulde der Bièvre liegt, sind die<br />
rückwärtigen Untergeschosse fensterlos).<br />
Diese nicht nur geografische, sondern auch kulturelle Wasserscheide<br />
spiegelt sich meines Erachtens auch in der Umweltpolitik und unterschiedlichen<br />
Bauplanung im Norden und Süden Europas wider. Zu einem der interessantesten<br />
Forschungsprojekte der Zukunft gehört für Architekten sicherlich<br />
die Aufwertung des Lichts in südlichen Breiten zum Zweck seiner künstlerischen<br />
und ökonomischen Nutzung – kurz gesagt, das Licht als Ressource<br />
und nicht als Problem anzusehen.<br />
Ein wichtiger Aspekt meiner Forschung sind die informativen Eigenschaften<br />
des Lichts. Im Gegensatz zu bestimmten Grundmerkmalen, die sich aus der<br />
Interaktion zwischen Licht und Materie ergeben, handelt es sich hierbei um<br />
höherrangige Eigenschaften. Sie sind vom Vorhandensein diverser Objekte in<br />
der Umgebung sowie davon abhängig, wie diese das Licht reflektieren und dadurch<br />
unterschiedliche, facettenreiche Muster schaffen. Bei meiner jüngsten<br />
Studie spielt der Schatten innerhalb dieser informativen Strukturen eine wichtige<br />
Rolle. Die Kontraste zwischen Licht und Schatten sind eine sehr einfache<br />
Art der Information (on/off) und ermöglichen uns die visuelle Wahrnehmung<br />
eines dreidimensionalen Raums und der Anordnung der darin befindlichen<br />
Objekte.<br />
Zur Rekonstruktion der wahrgenommenen Welt nutzt unser Sehvermögen<br />
in erster Linie die Informationen, die an den Grenzen zwischen einzelnen<br />
Oberflächen zu Tage treten. Dies hat einen entscheidenden Vorteil: Da sich<br />
das Licht in einer Umgebung niemals völlig gleichmäßig verteilt, sondern fast<br />
immer graduell abgestuft ist, würden wir, wenn sich unsere Sehkraft auf das<br />
Licht fernab der Flächengrenzen konzentrierte, Informationen erhalten, die<br />
weniger die Oberflächen, sondern vor allem das Umgebungslicht beträfen.<br />
Ein Beispiel: Die Mitte eines weißen Papiers in größerer Entfernung von einer<br />
Lichtquelle könnte weniger Licht reflektieren als die Mitte eines schwarzen<br />
Papiers in Lichtnähe. An der Grenze zwischen dem weißen und dem schwarzen<br />
Papier hingegen verteilt sich das Umgebungslicht recht gleichmäßig und<br />
erlaubt einen zuverlässigen (nicht absoluten, sondern relativen) Vergleich zwischen<br />
den Flächen.<br />
In der Darstellung von Adelson (gegenüber) reflektieren die Felder a und b<br />
exakt die gleiche Lichtmenge. Unser Sehsystem aber ist in der Lage, die Intensität<br />
des vom Zylinder geworfenen Schattens mit einzuberechnen und die Farbe<br />
der Felder a und b dem Rest des Schachbrettmusters anzugleichen.<br />
32 D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05