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DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl

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02<br />

David<br />

Maisel<br />

David Maisel, 1961 in New York<br />

City geboren, graduierte als BA an<br />

der Princeton University und als MFA<br />

am California College of the Arts und<br />

studierte zudem an der Graduate<br />

School of Design der Harvard University.<br />

Maisels Werke sind Teil der<br />

Daueraustellungen im Metropolitan<br />

Museum of Art, im Los Angeles<br />

County Museum of Art, im Brooklyn<br />

Museum of Art und in anderen Museen.<br />

Seine Monographie ‚The Lake<br />

Project‘ (Nazraeli Press, 2004),<br />

wurde 2004 von dem Kritiker Vince<br />

Aletti in die Top 25 der Fotobände<br />

gewählt. Seine zweite Monographie<br />

‚Oblivion‘ wurde 2006 von Nazraeli<br />

Press veröffentlicht.<br />

www.davidmaisel.com<br />

Herr Maisel, was haben Sie die Kultur, in der Sie<br />

aufgewachsen sind, und Ihre Ausbildung über die<br />

Erde und ihre Oberflächen gelehrt?<br />

Was hat Sie Ihre eigene Erfahrung über die Erdoberfläche<br />

gelehrt? Haben Sie neue Erkenntnisse<br />

über die Erde gewonnen – vielleicht etwas entdeckt,<br />

was Sie zuvor noch nicht kannten oder gesehen<br />

haben?<br />

Als Student an der Princeton University begleitete ich 1983 meinen Professor<br />

für Fotografie Emmet Gowin auf einer Fotoexpedition zum Vulkan Mount Saint<br />

Helens. Die Eruption des St. Helens war der schlimmste und verheerendste Vulkanausbruch<br />

in der Geschichte der Vereinigten Staaten, der, gemessen an der<br />

Atombombendetonation über Hiroshima, eine 27.000fache Energie freisetzte.<br />

Ich war nicht nur von der natürlichen Zerstörungskraft des Vulkans fasziniert,<br />

sondern auch verblüfft angesichts der gewaltigen kataklystischen Energie, welche<br />

die Holzfällerindustrie beim Kahlschlag dieses Gebiets an den Tag legte. Als<br />

Kind der Ostküste, aufgewachsen in einem Vorort New Yorks, empfand ich die<br />

Zerstörung biblischen Ausmaßes durch den Menschen – vor allem aus der Luft<br />

betrachtet - ebenso beeindruckend wie beängstigend. Dieses apokalyptische<br />

Empfinden war richtungsweisend für meine zukünftige Arbeit.<br />

Seither habe ich mich einem fortlaufenden Projekt von Luftaufnahmen<br />

zerrütteter Landschaften gewidmet. Ich gab dieser Bilderserie den Titel Black<br />

Maps. Ihr Hauptgegenstand ist das verheerende Wirken des Menschen in der<br />

Landschaft, das Kultur und Natur in einem schwindelerregenden Verfall mit<br />

ungewissem Ausgang miteinander verschmelzen lässt. Aus der Luftperspektive<br />

betrachtet, muten die zerstörten Gebiete, in denen die natürliche Ordnung<br />

durch den Eingriff des Menschen auf den Kopf gestellt wird, ebenso schön wie<br />

erschreckend an. Mit meinen Bildern möchte ich dies weder verdammen noch<br />

glorifizieren, sondern vielmehr unser Augenmerk auf die Bedeutung der Landschaft<br />

bzw. der Landschaftsdarstellung in unserem postnatürlichen Zeitalter<br />

richten.<br />

Die Erforschung umweltbelasteter Gebiete veranlasste mich, das ‚Mining Project‘<br />

zu starten, meine Luftaufnahmenserie von Tagebaugruben, die in den<br />

USA überall zu finden sind. Die Betrachtung der Gruben aus der Luft eröffnete<br />

mir eine neue Sichtweise, die meine Faszination von der Zerstörung der Landschaft<br />

noch verstärkte, sowohl im Sinne formaler Schönheit als auch unter umweltpolitischen<br />

Aspekten. Erst aus der Luft wurde ich der Verunstaltung und<br />

Transformation der Erdoberfläche gewahr. Ich begann, solche unnatürlichen<br />

Landschaften wie Tagebaugebiete, Cyanid-Laugereifelder und Absetzanlagen<br />

als Kontemplationsgärten unserer heutigen Zeit anzusehen; für mich vermitteln<br />

sie ein Gefühl unterirdischer Traumwelten, die nur darauf warten, ans<br />

Tageslicht zu treten. Fortan betrachtete ich meine Bilder nicht nur als simple<br />

Dokumentationen zerstörter Gebiete, sondern vielmehr als poetische Interpretationen<br />

und Reflexionen des menschlichen Geistes, dessen Wirken sich<br />

hier deutlich abzeichnet.<br />

Die Luftfotografie als solche interessiert mich weniger im methodischen<br />

Sinne als vielmehr als Möglichkeit, etwas zu sehen, was ansonsten unsichtbar<br />

und unvorstellbar ist, und Weg, Zeit und Raum miteinander zu verbinden. Als<br />

Fotograf aus der Luft befinde ich mich nie zweimal an exakt demselben Ort –<br />

kein Bild kann also wiederholt werden. Ebenso verändern sich die Lichtverhältnisse<br />

ständig: Beim Rundflug über eine Landschaft wechselt meine Position je<br />

nach Sonnenstand. Somit variieren auch Farben und Formen von Aufnahme zu<br />

Aufnahme. In einer solchen Situation wird dem Fotografen erhöhte Aufmerksamkeit<br />

abverlangt: Die Erscheinungen wie Formen, Farben und Strukturen<br />

sind ständig ‚im Fluss‘, und er muss spontan darauf reagieren. Das Erleben eines<br />

solchen Stroms von Bildern und möglichen Einstellungen ähnelt dem menschlichen<br />

Bewusstseinsstrom. Durch die Fotografie aus der Luft wird die Bewegung<br />

zergliedert und neu gestaltet.<br />

34 D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05

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