DAYLIGHT & ARCHITECTURE - Grado Zero Espace Srl
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08<br />
Thea<br />
Bjerg<br />
Thea Bjerg ist eine international anerkannte<br />
Textilkünstlerin und -designerin.<br />
Sie arbeitet und experimentiert<br />
seit mehr als zwei Jahrzehnten mit<br />
Licht und Schatten bei textilen Materialien.<br />
Für ihre Arbeiten erhielt sie<br />
unter anderem den japanischen Nagoya<br />
Design DO Award und das große<br />
dänische Stipendium für Kunsthandwerker<br />
aus der Kold-Christensen-<br />
Stiftung. Thea Bjergs Textilien sind<br />
unter anderem in Museen in Peking,<br />
London, Köln und Mexico City ausgestellt.<br />
Ihre Arbeiten werden unter<br />
anderem in den MoMA Stores des<br />
Museum of Modern Art in New York<br />
verkauft. www.theabjerg.com<br />
Frau Bjerg, was haben Ihnen die Kultur, in der Sie<br />
aufgewachsen sind, und Ihre Ausbildung über Textilien<br />
und deren Verhältnis zum menschlichen Körper<br />
vermittelt?<br />
Welche Eigenschaften von Textilien haben Sie im<br />
Laufe Ihrer eigenen Arbeit für sich entdeckt?<br />
Sind Textilien für Sie ein Mittel menschlicher Kommunikation?<br />
Können sie etwas signalisieren – zum<br />
Beispiel durch die Art und Weise, wie sie Teile des<br />
Körpers verdecken und andere enthüllen, und wie<br />
sie den Blick des Betrachters auf diese Weise lenken?<br />
Ich wurde in den 80er-Jahren an der Fakultät für Textildesign der Dänischen<br />
Designschule ausgebildet. Wir beschäftigten uns dort hauptsächlich mit Musterdesign,<br />
also mit der Frage, wie sich ebene, eindimensionale textile Flächen<br />
mit Farben und Mustern ‚ausfüllen’ lassen. Textilien waren für mich damals<br />
noch kein besonders sinnliches und kommunikatives Material, und wir hatten<br />
während unserer Ausbildung auch nur ein sehr eingeschränktes Verhältnis zur<br />
körperlichen Dimension unserer Arbeiten. An der Fakultät gab es jedoch eine<br />
Textilingenieurin, die ein wenig als ‚Freak‘ angesehen wurde. Sie experimentierte<br />
im Kleinen mit besonderen Techniken und Materialien, und ich glaube,<br />
dass ich ihre Herangehensweise später verinnerlicht habe.<br />
Seit ich die Designschule verlassen habe, habe ich meine Arbeit sehr stark auf<br />
das Experimentelle ausgerichtet. Ungefähr ab 1990 begann mich die Frage zu<br />
interessieren, wie man der textilen Fläche einen dreidimensionalen Ausdruck<br />
verleihen könnte. Meine Arbeitsweise wurde ausgesprochen forschungsorientiert,<br />
baute jedoch noch immer auf einer künstlerischer Grundlage auf. Ich arbeite<br />
fast ausschließlich handwerklich mit meinen Textilien, und es bedeutet für mich<br />
eine enorme Freiheit, mit Techniken zu experimentieren, zu denen ich mich selbst<br />
vorgearbeitet habe und die sich schlechterdings nicht auf eine maschinelle Herstellung<br />
übertragen ließen. Je mehr ich Textilien dreidimensional gestalte, desto<br />
sinnlicher und kommunikativer wird dieses Material für mich. Dies hat natürlich<br />
stark mit der dabei entstehenden Räumlichkeit und den Strukturen zu tun, also<br />
mit den Licht- und Schattenwirkungen in den Stoffen. Dass sich meine Textilien<br />
ebenso wie das Licht und das Wetter draußen im Laufe des Tages verändern und<br />
dass sie auch auf diese Weise mit dem Betrachter kommunizieren, wirkt nach<br />
meiner Erfahrung faszinierend und inspirierend auf viele Menschen.<br />
In meinem Projekt AQUATIC aus dem Jahr 2004 wird ein sehr direktes Verhältnis<br />
zum menschlichen Körper spürbar. Ich arbeite hier mit Falten und Plisseetechniken,<br />
die ich im Laufe der Jahre entwickelt habe und die ich teilweise<br />
mit Druck- und Schweißverfahren kombiniere. Diese Werke nenne ich ‚Körperskulpturen‘,<br />
weil sie dem Träger eine stoffliche Silhouette verleihen. Sie sind zugleich<br />
weich und geschmeidig, sie lassen sich um den Körper herum drapieren<br />
und senden starke Signale, dass etwas Besonderes im Spiel ist, etwas Sinnliches.<br />
Textilien sind in meinen Augen ein sehr feminines Material ...<br />
Gleichzeitig lenkt die skulpturale Gestaltung den Blick in vorgegebene<br />
Richtungen und fordert dazu auf, in einem sinnlichen Universum auf Entdeckungsreise<br />
zu gehen. Das geschieht nicht zuletzt, indem ich den Körper verdecke<br />
und enthülle und dabei Licht und Schatten zur Geltung bringe. Es wäre<br />
allerdings verfehlt anzunehmen, dass ich mich mit Textilien ausschließlich<br />
im Verhältnis zum Körper beschäftige. Das Material greift in ebenso hohem<br />
Maße in den Raum ein, entweder skulptural oder als eine bearbeitete Fläche,<br />
und einige meiner künftigen Projekte werden von Textilien als Rauminstallation<br />
oder Raumschmuck handeln. Das kann in Form von Tapeten, Strukturen,<br />
als Abschirmung oder als Lichtfilter geschehen.<br />
Für mich wäre es eine Herausforderung, zum Beispiel mit Architekten zusammenzuarbeiten<br />
und Visionen zu entwickeln, wie sich Textilien als integrierter<br />
Bestandteil eines Bauwerks und anderer räumlicher Zusammenhänge<br />
zur Geltung bringen lassen. Dies meine ich sowohl im praktischen als auch im<br />
dekorativen Sinne. In einer solchen Zusammenarbeit ließen sich einzigartige<br />
textile Konstruktionen und Raumwirkungen erzeugen.<br />
48 D&A FRÜHJAHR 2007 AUSGABE 05