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Das Argument

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456 •Besprechungen<br />

«liehe, die Imagination oder „das Denken" vorab determinierende gelten<br />

soll: die Abstraktion von der Geschichte, dem Dichter wie seinem<br />

Werk, ist so vollkommen, daß die „subjektive Geometrie" Poulets<br />

-ihre Gesetze von Mitte und Umkreis, Ich und Welt von keiner<br />

Sache gehindert entfalten kann: „Nachdem es [sc. das „Claudeische<br />

Wesen"] seinen Bereich durchzogen, seinen Platz ausgefüllt und seinen<br />

Umfang bestimmt hat, wird es sich seiner ganzheitlichen Form<br />

bewußt." Über Amiel: „Wenn das Ich kein Zentrum hat, muß man<br />

versuchen, ihm eines zu geben." Zu Baudelaire: „Im gemeinsamen<br />

Aufsteigen der beiden Linien [sc. der Geraden und der „Schlangenlinie"]<br />

wird dem Dichter sein Raum zuteil." Es scheint ein Spiel, das<br />

sich nicht auszuweisen brauchte, an dessen Unverbindlichkeit keiner<br />

Anstoß nähme, betriebe es nicht mit großen Namen das Geschäft der<br />

Apologetik. Indem Poulet die geschichtlich bestimmten Formen abblendet,<br />

in welchen sich Bewußtsein als artistisches oder als philosophisches<br />

objektivierte, entmündigt er, was immer in diesen dem<br />

bloßen <strong>Das</strong>ein widerstand. Verhext auf die Formel des Kreises, jener<br />

„Figur der Vollkommenheit des Seins", verschleiert er die realen<br />

Antagonismen, von denen seine Autoren ebenso zeugen wie von der<br />

Anstrengung, jene in die Reflexion aufzunehmen oder im Bilde sie<br />

zu schlichten, als Existenzfragen' nach Peripherie und Zentrum, nach<br />

zentrifugaler und zentripetaler Kraft, Ausbreitung und Konzentration.<br />

Deren „Lösungfen]", zumeist kontinuierliche, organische und<br />

harmonische, sind solche des privaten Individuums. Wo einer die<br />

Harmonie ganz intransigent sich versagt, verfällt er dem bürgerlichen<br />

Verdikt gegens ,Extreme': Nietzsches und Schopenhauers „Lösung"<br />

etwa „entspringt der Verzweiflung". Einzig eigenes Verschulden<br />

oder eine unerklärliche caprice vermögen den natürlichen Rhythmus<br />

von „Denken" und „<strong>Das</strong>ein" zu stören: „Baudelaires Ohnmacht<br />

ist die Ohnmacht des Menschen, der sich nicht mehr ausdehnen kann,<br />

weil er sich zu weit ausgedehnt hat." „Eigenartig ist, daß Proust<br />

einer so großen Anstrengung bedarf, um das zu verwirklichen, was<br />

Claudel auf natürlichste Art erreicht."<br />

Was Poulet scheinbar erhöht, überantwortet er in Wahrheit der<br />

Ohnmacht des je einzelnen, von der Allgemeinheit abgespaltenen<br />

Bewußtseins. Weder eignet der Kunst die Würde der Schöpfung noch<br />

dem Künstler die des Schöpfers; er ist Produzierender nicht im<br />

Stande der „Geburt des Wesens" sondern der jeweils erreichten<br />

Materialbeherrschung, der poetischen Technik. Damit aber durchbricht<br />

das Kunstprodukt potentiell den Bann von Bewußtseinsimmanenz,<br />

den Poulet, das spätbürgerliche Schicksal der Innerlichkeit als<br />

condition humaine akzeptierend, im Zeichen des Kreises affirmativ<br />

beschwört.<br />

Hella Tiedemann-Bartels (Berlin)<br />

Böhm, Walter: Die metaphysischen Grundlagen der<br />

Naturwissenschaft und Mathematik. Herder Verlag,<br />

Wien, Freiburg, Basel 1966 (196 S., Ln., 17,50 DM/sfr.).<br />

Die zentrale Intention des Buches ist Kritik des Positivismus der<br />

modernen Wissenschaftstheorien, die alle metaphysischen, d. h. nicht

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