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Das Argument

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468 •Besprechungen<br />

Prüfung nicht falsifizierten Theorien gelten lediglich als .bewährt',<br />

nicht aber als verifiziert.<br />

Wellmer nennt es das „Skandalon einer falsifikationistischen Wissenschaftstheorie"<br />

(203), daß der Fortschritt der Wissenschaft angesichts<br />

der unaufhebbaren „Möglichkeit einer totalen Falsifikation"<br />

stets nur ein „Forschritt auf Widerruf" sein kann. Welchen Sinn<br />

und Inhalt — so fragt er — kann jene ,Bewährung' noch haben, die<br />

Popper den wissenschaftlichen Theorien als Möglichkeit offenhält?<br />

Wenn der wissenschaftliche Fortschritt darin besteht, Theorien zu<br />

finden, die sich in strengen Prüfungen bewähren, dann leuchtet es<br />

ein, daß die Wiederholung eines einmal durchgeführten ,crucial experiment'<br />

unter gleichen Randbedingungen nichts zur Erhöhung des<br />

.Bewährungsgrades' beitragen dürfte. .Streng' hat also — das zeigt<br />

Wellmer auf — den Sinn von .neuartig', wobei sich dies Neue auf<br />

den jeweils historischen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis<br />

bezieht, von Popper als .background knowledge' bezeichnet. Ein<br />

identisch wiederholtes Experiment trägt offenbar zur Bewährung<br />

der in Frage stehenden Theorie nichts bei, weil kritische Experimente<br />

stets bedingungskontrolliert, mithin a limine auf Wiederholbarkeit<br />

hin durchgeführt werden, mit der Konsequenz, daß die Basissätze<br />

nicht den von Popper behaupteten singulären Charakter besitzen.<br />

„Wenn Popper gleichwohl, und zwar gegen die Logik seiner<br />

besten Beispiele, auf der zentralen Rolle singulärer Testsätze besteht,<br />

so äußert sich darin, wie mir scheint, lediglich sein erkenntnistheoretisches<br />

Vorurteil, daß die Welt aus ,Tatsachen und Regelmäßigkeiten'<br />

bestehe; wobei, was eine Tatsache sein könne, durch eine<br />

normative Entscheidung vorweg festgelegt ist. Die Ontologie der<br />

singulären Fakten verlangt, daß man sich auf singuläre Fakten<br />

einige, sofern ein Einverständnis über Regelmäßigkeiten erzielt<br />

werden soll." (171) — Die Einigung erfolgt per Dezision, weil der<br />

falsifizierende Basissatz den singulären Tatbestand nicht erreicht,<br />

ihn als reproduzierbaren immer schon transzendiert. Indem Popper<br />

mit den Positivisten am starren Dualismus von Subjekt und Objekt<br />

festhält, geht ihm die Wahrheit, welche er via falsificationis zu erreichen<br />

hoffte, schließlich doch an jene verzauberte Sphäre des An-<br />

Sich verloren, die Kant immerhin als Erscheinung zugänglich<br />

gemacht hatte.<br />

Wellmer verzichtet in seiner überarbeiteten Dissertation ausdrüddich<br />

darauf, „die speziellen Arbeiten Poppers zur Methodologie<br />

der historischen und der Sozialwissenschaften" in Betracht zu ziehen<br />

(17). Im Hinblick auf diese stellt er am Ende seiner Arbeit fest,<br />

daß Poppers Theorie des kritischen Rationalismus und der ,Offenen<br />

Gesellschaft' „ein aufklärerisches Interesse unübersehbar zugrunde"<br />

liege (237). Tatsächlich jedoch gelangt Popper dort, indem er auf der<br />

exklusiven Geltung singulärer Fakten insistiert, zu einer Theorie<br />

von Gesellschaft, deren irrationale Willkürlichkeit allein durch die<br />

Entschlossenheit blinder Dezision kompensiert wird. <strong>Das</strong> aufklärerische<br />

Interesse' Poppers endet dort, wo er vernünftige Kritik an<br />

der paläoliberalen Freiheitsidee, welche seine sozialwissenschaftliche

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