Das Argument
Das Argument
Das Argument
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
V. Ökonomie 511<br />
greifbar. Beweiskraft für die Richtigkeit der gegen L. erhobenen<br />
Beschuldigungen haben diese Akten nicht, eine genauere Klärung<br />
der Vorgänge wäre jedoch wünschenswert.<br />
Die Abschnitte 2—5 enthalten Dokumente zu L.s Tätigkeit in der<br />
Baugruppe Schlempp, die dem Generalbauinspektor für die Reichshauptstadt<br />
unterstellt war und besondere Bauaufgaben für die<br />
Rüstungsindustrie wahrnahm. L. war Bauleiter und Mitglied des<br />
engeren Stabes dieser Baugruppe. Die Aktenstücke zum Bauvorhaben<br />
Peenemünde zeigen, daß L. u. a. auch damit befaßt war, sie<br />
bringen aber — abgesehen von einer Aktennotiz der Gestapo Stettin,<br />
die L. als „vertrauenswürdig" bezeichnet — keinerlei bemerkenswerte<br />
Details. Als Vertreter der Baugruppe Schlempp war L.<br />
beim sog. „Jägerstab" Speers dann auch mit der Verlegung von Rüstungsbetrieben<br />
befaßt. Zuständiger Referent in der Berliner Zentrale<br />
des Büros Schlempp war L. dann offensichtlich seit dem Spätsommer<br />
1944 für das Kommando Leau (Leopard) in den Salz- und<br />
Solewerken Plömnitz, in dem u. a. rund 1500 Buchenwald-Häftlinge<br />
zu Zwangsarbeiten eingesetzt waren. L.s Tätigkeit für dieses Kommando<br />
ist durch zahlreiche Aktenvorgänge belegt, ebenso eine mindestens<br />
zweimalige Anwesenheit in Leau. Die Arbeitsbedingungen<br />
in diesen Kommandos waren ungewöhnlich hart: die Häftlinge hatten<br />
unter Tage zu arbeiten und waren teilweise auch unter Tage<br />
untergebracht, so daß nach Aussagen eines SS-Arztes sie „mitunter<br />
wochenlang nicht an das Tageslicht heraufkamen". Die Zahl der<br />
Todesfälle war so hoch, daß sie die zuständigen Stellen beunruhigte<br />
und Untersuchungen eingeleitet wurden.<br />
Keines der hier vorliegenden Dokumente enthält eine unmittelbar<br />
belastende Äußerung oder Entscheidung L.s. Es werden lediglich<br />
gewisse Bereiche seiner Tätigkeit gezeigt und Verbindungen hergestellt<br />
bzw. angedeutet. Juristisch sind diese Dokumente zweifellos<br />
unergiebig, politisch aber sind sie ebenso zweifelsfrei von ausschlaggebender<br />
Bedeutung: L.s Tätigkeit im „Dritten Reich" war — man<br />
mag argumentieren, wie man will — in jedem Falle so beschaffen,<br />
daß sie für das Amt des Bundespräsidenten in einem sich antifaschistisch<br />
verstehenden, demokratischen Staat disqualifiziert.<br />
Die „Editionstechnik" der Herausgeber läßt leider fast alles zu<br />
wünschen übrig. Angaben über Herkunft und Aufbewahrungsort<br />
der Dokumente fehlen völlig; sie sind jedoch gerade bei einer solchen<br />
Dokumentation unentbehrlich, und es ist auch gar nicht einzusehen,<br />
warum auf entsprechende Angaben verzichtet wurde. Es fehlt ein<br />
Hinweis darauf, was Band II der Dokumentation enthalten soll.<br />
„Statt eines Vorwortes" ist eine Liste der namentlich bekannten<br />
464 Toten aus den von L. baulich mitbetreuten Arbeitskommandos<br />
abgedruckt — sie kann aber nicht eine Einleitung ersetzen, in der<br />
einiges über den gegenwärtigen Stand der Diskussion hätte gesagt<br />
werden müssen. Es besteht kein Grund zur Annahme, daß die Dokumente<br />
gefälscht oder unkorrekt wiedergegeben sind, aber ein kritischer<br />
Apparat hätte dennoch nicht fehlen dürfen. Schließlich bleibt<br />
die Frage, ob nicht eine gut belegte, sachlich argumentierende Dar-