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Das Argument

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358 Günther Anders<br />

werden kann, ist fraglich. Wenn aber, dann allein durch diejenigen,<br />

die die uns Gefährdenden einholen oder sogar überholen.<br />

Damm-Preise<br />

Nein, niedrig ist der Preis, den man für die „Freedom of Speech"<br />

zu zahlen hat, nicht, er kann einen sehr teuer zu stehen kommen.<br />

,Wenn Sie das nächstemal einen Damm benötigen', meinte Präsident<br />

Johnson zu Senator Church von Idaho, als dieser von seiner Freiheit<br />

Gebrauch gemacht: nämlich Johnsons Vietnam-Politik kritisiert und<br />

sich dabei auf den Leitartikler Walter Lippmann bezogen hatte,<br />

,dann wenden Sie sich vielleicht lieber an Mr. Lippmann als an mich'.<br />

In anderen Worten: Die Chance, für seinen Staat erfolgreich einzutreten,<br />

verbleibt einem Senator unter dem Johnson-Regime alleine<br />

dann, wenn er zuvor auf seinen Anspruch auf Widerspruch, also auf<br />

.Freedom of Speech', verzichtet hat.<br />

Der Friedensfürst<br />

Bekanntlich gilt in Amerika die durchaus nicht so selbstverständliche<br />

Regel .Don't change horses in the middle of the stream' als<br />

unbestreitbare Wahrheit. — Die Fortsetzung der Aggression in Vietnam<br />

hat, mindestens auch, mit diesem Sprichwort zu tun, genauer:<br />

mit dessen Umkehrung. Um bei den nächsten Wahlen Präsident zu<br />

bleiben, um nicht ,to be changed', hat Präsident Johnson nämlich<br />

die ,middle of the stream'-Position aufrechtzuerhalten, wenn nicht<br />

sogar die kritische Lage so zu überschärfen, daß deren .middle of<br />

the stream'-Qualität von niemandem bestritten werden kann. Den<br />

Fortgang und die stetige Zuspitzung der Krise verwendet er also als<br />

ein Mittel, um den Fortgang seiner Herrschaft sicherzustellen. Natürlich<br />

hindert ihn das nicht im mindesten daran, gleichzeitig seine<br />

Friedensbereitschaft zu beteuern, seine Friedensbereitschaft, auf die<br />

der Gegner nur leider niemals eingehe, und dieses Beteuern seiner<br />

Friedensliebe kann er sich ruhig leisten, ohne dadurch Gefahr zu<br />

laufen, auf einem Widerspruch ertappt zu werden oder sich lächerlich<br />

zu machen. Im Gegenteil. Je gefährlicher sich durch seine Machenschaften<br />

die Krise zuspitzt, um so verführerischer klingt dann sein<br />

Versprechen, der Krise, wenn nur der böse Feind ebenfalls wollte,<br />

ein Ende zu 1 setzen und Frieden zu stiften. In der Tat haben als<br />

Friedensfürsten gewöhnlich ja diejenigen gegolten, die schließlich<br />

einmal die von ihnen selbst angezettelten Kriege hinter sich gebracht<br />

hatten — ob als Sieger oder als Besiegte, das spielte dabei noch nicht<br />

einmal die ausschlaggebende Rolle. Um mit Schlagen aufhören zu<br />

können, und um mit dem Ende des Schlagens locken zu können,<br />

dazu muß man eben geschlagen haben. Wer nicht den Mut aufbringt,<br />

Blut zu vergießen, dem kann es schwerlich gelingen, in die Klasse<br />

der großen Friedensfürsten aufzurücken. Nicht nur gilt mit Mephistopheles,<br />

daß ,Blut ein ganz besonderer Saft' ist, sondern auch mit<br />

Johnson, daß Blutvergießen, da man ohne dieses ein solides Friedensprestige<br />

nicht erwerben kann, ein ganz besonderer Trick ist.

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