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Das Argument

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440 •Besprechungen<br />

durch „Experimentalismus" und „Relativismus in der staatlichen<br />

Sphäre" (33) bestimmt ist, geht es dem an Konstanten um jeden<br />

Preis interessierten Historiker der modernen Staatstheorien vorab<br />

um die Erkenntnis der „religiösen Voraussetzungen des staatlichen<br />

Denkens" (623). So heißt es vom Zeitalter der beginnenden Industrialisierung:<br />

„<strong>Das</strong> eigentliche Problem des früheren 19. Jahrhunderts<br />

ist der zunehmende Unglaube." (575) Für „die Ungleichheit der<br />

Geschlechter" sollen nicht „die Arbeitsteilung und die Besitzrechte"<br />

sondern „eine moralisch bestimmte Ordnung maßgebend" (426) sein.<br />

Da haben Politiker, die maßvollen, versteht sich, „die Macht der<br />

Schrift und der Geschichte stets geachtet (48). Solche — an Ort und<br />

Stelle aphoristisch-überspitzend gemeinten — Formulierungen stellen<br />

doch den Durchschnitt bürgerlicher Kulturgeschichte erst ins<br />

richtige Licht. „Die Voraussetzung einer Staatslehre" sei „eine<br />

politische Anthropologie", zu ihr gehöre das ominöse „Menschenbild"<br />

(695), und dieses findet S. für die Moderne in der Vorstellung vom<br />

Bürger zweier Welten. Ist das kritisch gegen die „monistische Auffassung"<br />

der Geschichte gewandt, so taugt ein derart installierter,Pluralismus',<br />

der ganz abstrakt bleibt, gerade nicht, „die vulkanischen<br />

Kräfte des Untergrunds zu verstehen" (19 f.).<br />

Der antiquarische Idealismus erlaubt nicht mehr, Geschichte, weder<br />

die konkrete noch die des Überbaus, in einem irgend emphatischen<br />

Sinn zu konstruieren. Nachdem die Konstanten einmal in die Funktionale<br />

gerutscht sind, als einzige die Parallelität von Staatslehre<br />

und Religion blieb, läßt in der Geschichte gar nichts mehr sich dingfest<br />

machen. S.s Buch ist durchaus mehr als Dogmengeschichte der<br />

Staatstheorien von Dante und Wilhelm von Ockham bis Carl Schmitt<br />

und Harold Laski, es wird auf weite Strecken zur Geschichte der politischen<br />

Ideen, geht gelegentlich in Sozialgeschichte über, aber alle<br />

historischen Exkurse bleiben Exkurse, haben den Charakter einer<br />

Beispielsammlung, von der das zu Exemplifizierende sich nicht<br />

recht will angeben lassen. Wenn man überhaupt eine durchgehende<br />

These des Autors ausmachen kann, so am ehesten noch die von der<br />

relativen Irrelevanz der ökonomischen Verhältnisse sowohl für die<br />

Entwicklung der Staatslehren wie für die Historie selber (cf. etwa<br />

255 und 329). Neben den ohnmächtigen Antifaschismus des Liberalen<br />

(„Man muß sich wirklich fragen, ob ein Mann wie Carl Schmitt selber<br />

glauben kann, was er sagt" [672]) tritt denn auch ein blinder, nur<br />

emotionaler Antimarxismus bei S. Gelegentlich nennt er Franz Oppenheimer<br />

seinen „Vorgänger": dieser beende „die Tradition des<br />

Rationalismus, wie er seit der Aufklärung das europäische Denken"<br />

prägte; „in der Nachfolge von Marx" erwachse Oppenheimers wissenschaftliches<br />

Werk „aus einer politischen Leidenschaft und Begeisterung,<br />

einem Drang zu helfen", „denn das ist der Glaube, der hinter<br />

dieser universalen Sozial Wissenschaft steht: der Glaube an die<br />

Freiheit und ihren Fortschritt als den Sinn der Geschichte" (642 f.).<br />

Trotz aller Sympathie mit solchen Intentionen teilt S. diese selber<br />

kaum noch, er nimmt die Haltung des Sammlers ein, der wieder<br />

einmal zu spät kommt zum Belehren, wie die Welt sein soll. Vermag

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