Das Argument
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494 •Besprechungen<br />
dessen Gesamtwerk einführt. Wenig Positives läßt sich über die<br />
deutsche Saint-Simon-Literatur sagen. Ein so schwaches Buch wie<br />
Friedrich Mückles Henri de Saint-Simon. Die Persönlichkeit und ihr<br />
~ Werk (Jena 1908) vermag sich noch immer als Standardwerk zu behaupten,<br />
denn es gibt keine deutsche Arbeit über Saint-Simon, deren<br />
Qualität es erlaubt, den Verzicht auf Mückles Buch zu empfehlen.<br />
Dieses Urteil kann selbst Thilo Ramms Leistung nicht aufheben (Die<br />
großen Sozialisten als Rechts- und Sozialphilosophen, Stuttgart 1955,<br />
S. 216—287). Ramm gibt zwar eine präzise und jederzeit übersichtliche<br />
Darstellung der Theorien Saint-Simons, aber er beabsichtigt<br />
keine ausgreifende Interpretation. So mangelt auch seinem Beitrag,<br />
' was die Saint-Simon-Forschung in Deutschland auf neue Wege leiten<br />
f könnte. Bedauerliches Fazit: man bemüht sich bei uns so gut wie<br />
gar nicht darum, Saint-Simon kritisch zu vergegenwärtigen.<br />
Nun ist jedoch zu beachten, daß jede Saint-Simon-Forschung vor<br />
einem Problem steht: bis heute fehlt eine vollständige kritische Gesamtausgabe.<br />
Noch vor kurzem war man weitgehend angewiesen auf<br />
die Oeuvres de Saint-Simon et d'Enfantin, 1865—78 in 47 Bänden<br />
herausgegeben von den Testamentsvollstreckern des Saint-Simonisten<br />
Barthélemy-Prosper Enfantin; 11 Bände der Edition (15, 18<br />
bis 23, 37—40) enthalten den größten Teil der Schriften Saint-Simons.<br />
Wer bisher mit dieser Ausgabe arbeiten wollte, hatte freilich<br />
Mühe, sie zu beschaffen, denn sie ist selten geworden und fast nur<br />
noch in großen Bibliotheken zugänglich. 1966 hat hier ein Pariser<br />
Verlag (Editions Anthropos) endlich Wandel geschaffen. Zwar liegt<br />
mit den 6bändigen Oeuvres de Claude-Henri de Saint-Simon keine<br />
moderne kritische Ausgabe vor, aber és sind jetzt zumindest günstigé<br />
Voraussetzungen dafür gegeben, daß die Saint-Simon-Forschung<br />
auch außerhalb Frankreichs an Bedeutung gewinnt. Die<br />
Bände 1—5 bringen in photomechanischem Nachdruck die oben genannte<br />
Edition aus dem vorigen Jahrhundert. Der 6. Band, mehr als<br />
500 Seiten stark, enthält wichtige Schriften, die in der alten Ausgabe<br />
fehlen — z. B. die umfangreiche Introduction aux travaux scientifiques<br />
du XIX e siècle von 1807/8 —, außerdem mehrere Arbeiten<br />
aus dem handschriftlichen Nachlaß, darunter die wertvollen Fragmente<br />
Les Communes und La Classe des Prolétaires.<br />
Gerade in Deutschland erschwert den Zugang zu Saint-Simon die<br />
eingewurzelte Vorstellung, man habe es allemal mit einem Sozialisten,<br />
mit sozialistischer Theorie zu tun. Seit der Mitte des vorigen<br />
Jahrhunderts hinkt dieser Irrtum ungeprüft durch die deutsche Fachliteratur,<br />
als sei er eine korrekte Bestimmung und damit gut zu Fuß.<br />
Verantwortlich für den „Sozialisten" Saint-Simon sind Lorenz Stein<br />
sowie Marx und Engels. Stein behandelt Saint-Simon unter dem<br />
Titel Die Sozialisten, das Kommunistische Manifest rechnet dessen<br />
Oeuvre zu den „eigentlich sozialistischen und kommunistischen Systemen".<br />
Marx hat später — bei aller verständlichen Bewunderung<br />
für Saint-Simon — die notwendige, aber kaum beachtete Korrektur<br />
vorgenommen: „Man muß überhaupt nicht vergessen, daß erst in<br />
seiner letzten Schrift, dem Nouveau Christianisme, St. Simon direkt