02.03.2014 Aufrufe

Das Argument

Das Argument

Das Argument

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

364 Günther Anders<br />

God's own Country<br />

Bekanntlich hat der amerikanische Student David Mitchell, der<br />

Inaugurator der ,End the Draft'-Bewegung, der sich auf die moralischen<br />

Prinzipien des Nürnberger Kriegsverbrecherprozesses beruft,<br />

den Militärdienst als unmoralisch und illegal bezeichnet und sich<br />

persönlich geweigert, sich in der Zeit eines, amerikanischen imperialistischen<br />

Krieges einziehen zu lassen — woraufhin er zu fünfjähriger<br />

Haft verurteilt worden ist. Der Richter Emmett Ciaire, auf<br />

Grund dessen Spruches dieses Urteil vor einem halben Jahre vollstreckt<br />

worden ist, motivierte Mitchells Strafwürdigkeit mit dem<br />

<strong>Argument</strong>, Mitchell sei zugestandenermaßen Atheist, ergo könne<br />

seine Berufung auf Moralprinzipien, also auch auf die von Nürnberg,<br />

keinen Anspruch darauf erheben, ernst genommen zu werden. Damit<br />

beweist Richter Ciaire, daß ihm nur der naivste, nein, nur der<br />

unmoralischste Begriff von Moralität vertraut ist, nämlich nur derjenige,<br />

der mit dem Begriff von Gehorsam identisch ist. <strong>Das</strong> ist so,<br />

als wenn man einem Knaben das Recht auf anständiges Benehmen<br />

und die Glaubhaftigkeit seines moralischen Benehmens deshalb absprechen<br />

würde, weil dieser erkläre, auch dann anständig sein zu<br />

wollen, wenn er damit keinem ausdrücklichen Befehl seines Vaters<br />

nachkomme, nein auch dann, wenn er dessen Befehls-Autorität oder<br />

dessen Existenz nicht anerkenne. Keine Frage, dieser Richter hält die<br />

Unmoral des Gehorsamen für moralischer als das Moralischsein des<br />

Ungehorsamen; er hält es für sittlicher, das ,Du sollst nicht töten'<br />

zum Teufel zu schicken und an Gott zu glauben, als das ,Du sollst<br />

nicht töten' zu beherzigen, ohne diese Beherzigung durch Gottesglauben<br />

zu begründen; und für gottgefälliger, ein gläubiger Mörder<br />

zu sein als ein nichtgläubiger Mordverweigerer.<br />

Gratis<br />

Am 23. Oktober 1967 meldete der Wiener Rundfunk, bei den<br />

kolossalen Demonstrationen vor dem Pentagon hätten mehr als<br />

hundert Personen ,Verwundungen davongetragen'. ,Davongetragen'<br />

ist gut. <strong>Das</strong> klingt ganz so, als hätten diese Verwundungen wie herrenloses<br />

Gut auf dem Pflaster herumgelegen oder wie Früchte an<br />

Ästen gehangen, und als hätten die Demonstranten nichts anderes zu<br />

tun braudien, als diese gratis erhältlichen Objekte aufzuheben oder<br />

abzupflücken, um sie dann eben nach Hause — davonzutragen. Daß<br />

es Produzenten dieser Verwundungen gegeben hat, daß Polizisten<br />

zugeschlagen haben, das ist dieser Redensart jedenfalls nicht anzumerken.<br />

Und darin besteht eben ihre Tugend.<br />

Grenzen des Herstellbaren<br />

Der zugleich altertümliche und neue Typ des vietnamesischen<br />

Guerilla-Kämpfers hatte die Amerikaner durch seine Tollkühnheit,<br />

Wendigkeit, Geistesgegenwart und Selbständigkeit von Beginn an<br />

tief beeindruckt. Natürlich reagierten sie auf diese Männer erst einmal<br />

auf amerikanische Art, genau so, wie sie auf Exemplare neuer

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!