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Das Argument

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IV. Soziale Bewegung und Politik 501<br />

unvermeidlich sei" („Werke", Bd 31, S. 232). Garaudy gräbt noch eine<br />

Schicht tiefer. Marx hatte den Begriff „asiatische Produktionsweise"<br />

verwendet, so z. B. im 3. Band des „Kapital" (MEW, Bd 25, S. 346).<br />

Der Staat, einziger Grundeigentümer, organisiert die hydraulischen<br />

Großbauten, Infrastruktur einer Wirtschaft, die auf der „Einheit<br />

kleiner Agrikultur und häuslicher Industrie" beruht. Mit dem marx-<br />

'schen Begriff „asiatische Produktionsweise" hat in den frühen<br />

Zwanziger jähren Karl August Wittfogel 2 trotzkisierenden Mißbrauch<br />

getrieben, während Stalin in den Dreißiger jähr en, wahrscheinlich<br />

eben deshalb, die Vorstellung verteufelte, es habe in den nichteuropäischen<br />

Ländern eine präkapitalistische Phase gegeben, die in das<br />

Schema der „fünf Stufen" (Urgesellschaft, Sklaverei, Feudalismus,<br />

Kapitalismus, Sozialismus) nicht hineinpaßt. Seit 1931 ist die schematische<br />

Klassifizierung der Produktionsweisen in allen marxistisch<br />

inspirierten Lexika und Lehrbüchern obligatorisch (Kurioserweise<br />

auch in der offiziellen chinesischen Geschichtsschreibung). Garaudy<br />

erklärt, das „Fünfstadien-Schema" sei ein stalinsches Dogma, das den<br />

Vorstellungen von Marx widerspricht.<br />

In China hätten die Besonderheiten der „asiatischen Produktionsweise"<br />

bis ins 20. Jahrhundert nachgewirkt, stellt Garaudy fest. Vor<br />

allem hätten die Restbestände der „asiatischen Produktionsweise"<br />

die Entstehung sowohl der Sklaverei wie des Feudalismus (im europäischen<br />

Sinne) verhindert. Ohne Marktwirtschaft habe sich auch<br />

keine Bourgeoisie bilden können, stark genug, um die Frühetappe<br />

des Handelskapitals zu überschreiten. In diese stagnierende Wirtschaft<br />

mit ihren starken präkapitalistischen Überresten sei, mit dem<br />

Opiumkrieg (1848), der westliche Kapitalismus eingebrochen und<br />

habe den Anstoß zur Bildung einer nationalen Bourgeoisie gegeben,<br />

deren Doppelcharakter Garaudy im Einklang mit Mao Tse Tung<br />

charakterisiert.<br />

<strong>Das</strong> Problem, folgert der Verfasser, bestehe in der Frage: wie baut<br />

man den Sozialismus auf der Grundlage einer präkapitalistischen<br />

Gesellschaft? (55) Lenin hatte die Frage bereits in dem Sinn beantwortet,<br />

daß das Überspringen der kapitalistischen Phase unter bestimmten<br />

Umständen durchaus möglich sei. Natürlich bedeute das<br />

einen Wechsel in dem Träger der Revolution. Nicht die Arbeiterklasse,<br />

die kaum vorhanden ist, sondern die Bauern „machen" die<br />

Revolution, wenn auch nach dem „proletarischen" Leitbild. Mao<br />

Tse Tung habe das frühzeitig erkannt, schreibt Garaudy, er sei aber<br />

über Lenin hinausgegangen, indem er, angepaßt den besonderen<br />

Bedingungen Chinas, die soziale und die nationale Revolution als<br />

Einheit faßte, so daß das ganze Volk (mit Ausnahme der Grundbesitzer<br />

und der Komprador-Bourgeoisie) in die Revolution einbezogen<br />

erscheint. Hierin sieht Garaudy das nationalistische Element in der<br />

Gedankenwelt Mao Tse Tungs, stark durchsetzt vom Messianismus<br />

der alten Bauernrevolten. In den Volkskommunen findet der Ver-<br />

2 Vgl. Michael Markes Bespr. v. K. A. Wittfogel, Die orientalische<br />

Despotie, in „<strong>Argument</strong>" Nr. 29, 6. Jhg. 1964, S. 124 ff.

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