Das Argument
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IV. Soziale Bewegung und Politik 495<br />
als Worführer der arbeitenden Klass^ auftritt und ihre Emanzipation<br />
als Endzweck seines Strebens erklärt. Alle seine frühern Schriften<br />
sind in der Tat nur Verherrlichung der modernen bürgerlichen<br />
Gesellschaft gegen die feudale, oder der Industriellen und Bankiers<br />
gegen die Marschälle und juristischen Gesetzfabrikanten der Napoleonischen<br />
Zeit."<br />
Gegen Ende seines Lebens hat Saint-Simon durchaus für die<br />
„zahlreichste und ärmste Klasse" gesprochen. Toute la société doit<br />
travailler à l'amélioration de l'existence morale et physique de la<br />
classe la plus pauvre; la société doit s'organiser de la manière la<br />
plus convenable pour lui faire atteindre ce grand but. Doch solche<br />
Äußerungen ändern nichts Entscheidendes an der Tatsache, daß<br />
Saint-Simon keinen ausgeprägten Interessengegensatz zwischen industrieller<br />
Bourgeoisie und Proletariat, zwischen Kapital und Arbeit<br />
kennt. Unternehmer und Arbeiter zählen bei ihm zur großen Klasse<br />
der „industriels", der produktiv Tätigen. Diese Klasse umfaßt vor<br />
allem les cultivateurs, les fabricants, les commerçants, les banquiers<br />
et tous les commis ou ouvriers qu'ils emploient; von den Tagelöhnern<br />
(manoeuvres) heißt es ausdrücklich, sie bildeten la masse de la<br />
classe industrielle. Die industriels vereint der Klassenkampf gegen<br />
jene, die besitzen ohne zu arbeiten: gegen die propriétaires oisifs,<br />
die propriétaires de terres non cultivateurs, die Adligen (les nobles<br />
... forment aujourd'hui la classe la plus désoeuvrée). Saint-Simons<br />
These von der Einheit der industriels impliziert nicht die Forderung<br />
an das Proletariat, sich der industriellen Bourgeoisie zu fügen, d. h.<br />
sie redet eindeutig nicht zu deren Gunsten. Sie verpflichtet vielmehr<br />
beide Klassen zur Solidarität zumal gegen den Adel. Es hat<br />
an Versuchen nicht gefehlt, dieses Modell konservativ umzubiegen.<br />
So übernimmt Lorenz Stein die These Saint-Simons, tötet jedoch<br />
deren Nerv, das Pathos der Solidarität gegen den unproduktiven<br />
Adel. <strong>Das</strong> Resultat ist die bürgerlich-konservativ inspirierte Theorie<br />
der „Gesellschaft des gegenseitigen Interesses": Saint-Simons progressives<br />
Solidaritätsmodell wird unter den Bedingungen der ersten<br />
großen Krise der bürgerlichen Gesellschaft zur ideologischen Waffe<br />
gegen die revolutionäre Unruhe des Proletariats.<br />
Manfred Hahn (Gießen)<br />
Eva Meyer: Lorenz von Stein und die Anfänge des Sozialismus<br />
in Deutschland. Diss. phil. Frankfurt 1965<br />
(Druck: Dissertationsdruckerei R. Kleinert, Quakenbrück). 138 S.<br />
Eva Meyer beginnt mit der These, Steins „eigentliche Bedeutung"<br />
knüpfe sich an dessen „Übermittlung des französischen Sozialismus<br />
nach Deutschland" (S. 7); die Übermittlung hätten geleistet die beiden<br />
Auflagen des Werkes über den Sozialismus und Kommunismus<br />
des heutigen Frankreichs (1842 und 1848), ferner die dreibändige Geschichte<br />
der sozialen Bewegung in Frankreich von 1850. Eva Meyers<br />
Hauptfrage: haben die Wahren Sozialisten» Moses Hess und Karl<br />
Grün, haben Marx, Engels und Lassalle die genannten Arbeiten