Das Argument
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Philosophisches Wörterbuch. 363<br />
streuen, braucht zu befürchten, bei seiner BA-Prüfung durchzufallen.<br />
Sic transit gloria revolutionum.<br />
Als ich vor etwa zehn Jahren eine neue Phase der ,Entfremdung'<br />
ankündigte, die Situation nämlich, in der der ,Animismus des technischen<br />
Zeitalters' herrschen würde, die Situation, in der die Verdinglichung<br />
der Menschen ihre Entsprechung in der Vermenschlichung<br />
der Dinge finden würde oder in der die Vermenschlichung<br />
der Dinge die Verdinglichung der Menschen sogar ersetzen würde, da<br />
nannte man mich einen Übertreiber, diese überspitzte Formulierung<br />
könnte ich doch wohl nur bildlich meinen. Was ich bestritt. Heute<br />
hat nun der dokumentarische Beweis meine damalige Behauptung<br />
eingeholt. Denn wie könnte man noch von .Bildlichkeit' sprechen,<br />
wenn in der Gelöbnisformel einer Armeegattung das Mordgerät als<br />
,Bruder' bezeichnet wird, und wenn dessen Verwender vor Gott<br />
den feierlichen Eid schwört, diesen seinen Bruder rein zu halten wie<br />
sich selbst und sich mit dessen Schwächen und Stärken vertraut zu<br />
machen?<br />
Sehen wir ganz davon ab, daß dem Gewehr hier natürlich eine unzweideutig<br />
phallische, halb narzistische, halb inzestuöse, Rolle zugeschrieben<br />
wird; und daß es natürlich keinen ,leatherneck' gibt, der<br />
nicht Schießen als ,a kind of f...', und f... als eine Art von Schießen<br />
ansähe; und schließlich keinen, der nicht den Schwur, sein ,rifle'<br />
.clean and ready' zu halten, mit Enthusiasmus schwören würde. Worauf<br />
es hier ankommt, ist, daß sich im Augenblicke, in dem Menschen<br />
feierlich dazu verpflichtet werden, Dinge als Lebewesen (oder<br />
als Organe ihres eigenen Leibes) anzusehen, und als das nicht nur<br />
(anzusehen, sondern als das zu behandeln — daß sich in diesem<br />
Augenblicke das, was ich den ,Animismus des technischen Zeitalters'<br />
genannt hatte, als Wirklichkeit bestätigt; und daß in diesem Augenblicke<br />
dem Gerede, mein Ausdruck sei doch höchstens bildlich oder<br />
metaphorisch zu verstehen, jede Basis entzogen ist.<br />
• j<br />
Natürlich soll dieser Rifle-Text nicht nur sexuelle, sondern zugleich<br />
auch religiöse Assoziationen auslösen. Wenn ich den Wortlaut des<br />
O'Caseyschen Kanonengebets vorausschickte, so gewiß nicht grundlos.<br />
Deutlich klingen die Worte, die der Rifle-Dichter für die Identifizierung<br />
des Mörders mit seiner Waffe gefunden hat, an die sakramentalen<br />
Identifizierungsformeln aller, namentlich der christlichen,<br />
Religionen an. In der Waffe, die er vor Gott heiligt, soll der Mörder<br />
eben etwas Heilandartiges sehen. Tatsächlich taucht ja in der vdrletzten<br />
Zeile auch das Wort,saviour' auf.<br />
Übersetzt man den das Gebet krönenden Schwur, die Komplizität<br />
mit der Waffe so lange aufrechtzuerhalten, ,bis es keinen Feind mehr<br />
gebe, sondern nur noch Frieden', in die Alltagssprache, dann kann er<br />
michts anderes bedeuten, als daß der Friede erst in demjenigen<br />
Augenblicke eintreten werde, in dem ,my rifle and I' den Feind ausgerottet<br />
haben werden.