Das Argument
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444 •Besprechungen<br />
Nicht zuletzt in seiner „Tendenz auf permanente Revolution" (119)<br />
kommt objektiv das Ungenügen an den Implikationen des eigenen<br />
Denkens zur Sprache.<br />
Rolf Tiedemann (Berlin)<br />
Kolakowski, Leszek: TraktatüberdieSterblichkeitder<br />
Vernunft. Philosophische Essays. Aus dem Polnischen von<br />
Peter Lachmann. Piper Verlag, München 1967 (272 S., Pb.,<br />
13,80 DM).<br />
Im zweiten philosophischen Buch Kolakowskis, das in deutscher<br />
Sprache veröffentlicht wurde, sind wie in „Der Mensch ohne Alternative"<br />
thematisch nicht zusammenhängende Aufsätze gesammelt,<br />
die zum großen Teil in polnischen Zeitschriften zuerst veröffentlicht<br />
wurden. Ihre Auswahl und Zusammenstellung durch den Verlag verfolgen<br />
einen propagandistischen Zweck. Es kann immer noch nicht<br />
überprüft werden, ob sie für Kolakowskis Denken repräsentativ<br />
stehen und ob er mit ihrer Zusammenstellung einverstanden war.<br />
Aber selbst wenn es sich nur um Gelegenheitsarbeiten handelt, wird<br />
darin eine kritische Position deutlich, die sich in kapitalistischen wie<br />
in sozialistischen Ländern immer mehr verbreitet. Sie wird hier in drei<br />
Aufsätzen besonders klar erkennbar: „Ethik ohne Kodex", „Cogito,<br />
historischer Materialismus, expressive Persönlichkeitsinterpretation"<br />
und „Der Rationalismus als Ideologie".<br />
Der Grund für K.'s Kritik an der polnischen KP ist die Erfahrung,<br />
daß in den sozialistischen Ländern trotz der Sozialisierung der Produktionsverhältnisse<br />
die „Entfremdung" der Arbeiter andauere, obwohl<br />
doch Marx behauptet habe, „daß der ,Kommunismus als positive<br />
Aufhebung des Privateigentums' mit der Aufhebung der menschlichen<br />
Entfremdung überhaupt identisch sei" (79). Diese verbreitete<br />
Fehlinterpretation der Erkenntnis von Marx, daß die Aufhebung des<br />
Privateigentums an den Produktionsmitteln die Voraussetzung der<br />
Aufhebung der Unterdrückung ist, noch lange nicht die Aufhebung<br />
der „menschlichen Entfremdung überhaupt", verhindert eine marxistische<br />
Kritik der Politik der KP und führt tendenziell zur Gleichsetzung<br />
von Spätkapitalismus und Sozialismus. In K.'s bisher übersetzten<br />
Aufsätzen findet sich nicht einmal der Ansatz zu einer sozioökonomischen<br />
Analyse der kritisierten Verhältnisse. K. diskutiert<br />
nicht die Entwicklung der Produktivkräfte in den sozialistischen<br />
Ländern. Daher äußert sich sein Protest gegen den Zwang der Parteibürokratie<br />
in einem voluntaristischen Humanismus, der ohnmächtig<br />
bleibt, weil er nicht die durch die Sozialisierung der Produktionsmittel<br />
und den Stand der Produktivkräfte möglich gewordene Freiheit<br />
mit der tatsächlichen vergleicht und so zu bestimmten, verwirklichbaren<br />
Forderungen kommt. Die Unfähigkeit, geschichtliche Entwicklungen<br />
zu begreifen und zum Ausgangspunkt politischer Forderungen<br />
zu machen, charakterisiert die philosophische Position Kolakowskis.<br />
Die „radikale Rationalität" des Einzelnen muß die verlorene<br />
gesellschaftliche Erkenntnis ersetzen. Die Antinomien des<br />
bürgerlichen Bewußtseins, der Konflikt zwischen theoretischer und