02.03.2014 Aufrufe

Das Argument

Das Argument

Das Argument

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

I. Philosophie 443<br />

Fichte es vorwirft; sie akzeptiert das historisch Besondere als Allgemeines,<br />

das in alle schlechte Ewigkeit sich fortschleppen müsse.<br />

Fichtes Apriorismus, der, von der Gunst des revolutionären Augenblicks<br />

wahrhaft beflügelt, die Tatsachenwelt rücksichtslos nach den<br />

Kriterien der Wahrheit, aus Vernunft zu organisieren unternimmt,<br />

wollte damit nicht sich abfinden. Die Abstraktheit seines WaHrheitsbegriffs<br />

wäre als Produkt einer gesellschaftlichen Verfassung zu erkennen,<br />

unter der menschliche Tätigkeit in die Grenzen der subjektiven<br />

Vernunft gebannt blieb; dieser Bann, das Gefängnis des Geistes,<br />

war jedoch zugleich die Form, in der Wahrheit, ein mehr als<br />

<strong>Das</strong>eiendes zu einer bestimmten Zeit allein sich entfalten konnte.<br />

Aber anstatt die Fichtesche Philosophie als historisch bedingte zu<br />

dechiffrieren, konfrontiert W. ihr nur eine Position der abstrakten<br />

Geschichtlichkeit, die dann das Politische ,als ein eigenständiges Gegenüber'<br />

und als ,dualistisches Herrschaftsverhältnis' (42) ein für<br />

allemal in der Tasche hat, in der die gesammelten Werke von Carl<br />

Schmitt, Freyer, Gehlen und Schelsky sich beulen. Fichtes Bestimmung,<br />

daß, „das Leben im Staat [...] ein nur unter gewissen Bedingungen<br />

stattfindendes Mittel zur Gründung einer vollkommenen<br />

Gesellschaft" (zit. 36) sei, macht konkrete Veränderung, ein Fortschreiten<br />

der Geschichte immerhin absehbar. Demgegenüber muß<br />

W.' Definition des Staates als ,Ordnung stiftender und garantierender<br />

Dimension' (35) sich auf die Bismarcksche Theorie des Politischen<br />

als einer Theorie des Schlimmstmöglichen zurückziehen; die gesellschaftliche<br />

Tätigkeit der Menschen restringieren zur Stabilisierung<br />

der Institutionen der bürgerlichen Gesellschaft, die solcher Bestätigung<br />

durch ihre Glieder freilich längst nicht mehr bédarf. Fichte intendierte<br />

mehr und anderes. Wenn dieses auch die Schranken des<br />

Bürgertums nicht zu sprengen vermochte, so wäre es doch, als Impuls,<br />

von der philosophischen Interpretation durch den Nachweis seiner<br />

Beschränktheit hindurch zugleich zu retten. Fichte ist Evarist Gamelin<br />

und ist es nicht. <strong>Das</strong> zum absoluten sich aufspreizende trans- '<br />

zendentale Subjekt wiederholt das dunkle Geheimnis der bürgerlichen<br />

Gesellschaft und enträtselt es in einem. Indem Fichte den<br />

Idealismus in seine Konsequenzen hineintreibt und zu jenen totalitären<br />

Gestalten kommt, die W. ihm leicht nachrechnen hat, nennt er<br />

bewußtlos beim Namen, was alle bürgerliche Praxis im Kern verdirbt:<br />

daß ihre Vernunft in Herrschaft sich erschöpft und damit<br />

widervernünftig wird. Den Gegensatz von Spontaneität und Passivität,<br />

der innerhalb der bürgerlichen Produktionsverhältnisse nicht<br />

aufzulösen ist, hat Fichte, bedingungslos auf die Seite der Vernunft<br />

sich schlagend und der empirischen Welt ihr Mal noch einmal einbrennend,<br />

getreuer registriert als sein jüngster Kritiker, dem das<br />

Wirkliche das Vernünftige wieder einmal schon ist. Zwar ist, nach<br />

der Einsicht Hegels, in der historisch gewordenen Objektivität Vernunft<br />

enthalten, aber das ist die falsche, partikulare der bürgerlichen<br />

Gesellschaft. Suspendiert Philosophie deren Kritik, so wird sie affirmativ,<br />

macht ihren faulen Frieden mit eben jener Unmenschlichkeit,<br />

die bei Fichte zutage liegt und über die er gleichzeitig hinauswollte.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!