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Landtag Brandenburg - 5. Wahlperiode - Plenarprotokoll 5/23 - 7. Oktober 2010 1709<br />
Einen zweiten Vergleich will ich anstellen: Die Verschuldungsgrenze<br />
war im Stabilitätspakt mit 60 % des Bruttoinlandsprodukts<br />
angesetzt. Damals lagen wir bei 40 %. Heute liegen wir<br />
bei 65 %! Ich will mir nun verkneifen, einen Vergleich zu der<br />
Erfolgsmeldung des Finanzministers von gestern über die Einhaltung<br />
der Kriterien des Stabilitätsrates zu ziehen. Das haben<br />
doch diejenigen beschlossen, die selbst gehalten sind, diese<br />
Kriterien einzuhalten. Natürlich wäre es kurios, wenn man ausgerechnet<br />
im ersten Jahr nach Verabschiedung der Kriterien<br />
diese nicht einhalten würde.<br />
Meine Damen und Herren! Die Entwicklung - das Menetekel<br />
Griechenland, Irland, Portugal, Euro usw. - macht deutlich: Es<br />
gibt keine Alternative zum Verbot der Nettoneuverschuldung.<br />
Ein „Weiter so!“ wäre unverantwortlich gegenüber dem Staat<br />
und künftigen Generationen.<br />
(Beifall CDU, FDP sowie GRÜNE/B90 - Bischoff [SPD]:<br />
Dann macht doch mit!)<br />
Schon die Sanierungsmaßnahmen auf dem Weg zum ausgeglichenen<br />
Staatshaushalt, aber erst recht die Beseitigung von Zahlungsunfähigkeit<br />
des Staates trifft zuallererst diejenigen, die<br />
am ehesten auf den Staat angewiesen sind: die breite Bevölkerung,<br />
die sozial Schwachen, weniger die, die sich im Wesentlichen<br />
selbst helfen können. Öffentliche Schulden sind also auf<br />
lange Sicht unsozial.<br />
(Beifall CDU und GRÜNE/B90)<br />
Wir müssen daher jetzt die Schuldenbremse in unsere Verfassung<br />
aufnehmen. Die Umsetzung dieses Gebotes wird noch<br />
schmerzlich genug. Dabei geht es nicht darum, die Neuverschuldung<br />
schon ab dem Jahr 2011 auf null zu stellen, wie es der seinerzeitige<br />
SPD-Fraktionsvorsitzende in seinem Brief vom Juli<br />
dieses Jahres unterstellte. Klammerbemerkung: Aber 500 Millionen<br />
im kommenden Jahr sind trotzdem zu viel.<br />
Der Vorschlag, den wir machen, greift den Finanzplan der derzeitigen<br />
Landesregierung auf, ab dem Jahr 2014 eine Nettoneuverschuldung<br />
von null vorzusehen.<br />
Es eilt. Ich darf die Präsidenten der Rechnungshöfe von Bund<br />
und Ländern zitieren, die im Frühjahr dieses Jahres in einer Erklärung<br />
festgehalten haben, dass „das Nettoneuverschuldungsverbot<br />
nur dann eingehalten werden kann, wenn Maßnahmen<br />
zur dauerhaften Entlastung der öffentlichen Haushalte frühzeitig<br />
umgesetzt werden und die ersten Handlungskonzepte ab<br />
den Jahren 2011/2012 greifen“.<br />
Nun kann man lange darüber streiten, ob Maßnahmen ausreichen<br />
oder die verfassungsrechtlichen Vorgaben gesetzt werden<br />
müssen. Damit bin ich bei den Finanzmärkten. Die vielen Äußerungen<br />
der letzten Wochen und Monate wecken Zweifel, ob<br />
jeder, der gehalten ist, dieses Verfassungsgebot umzusetzen,<br />
auch gewillt ist, das zu tun.<br />
Deswegen hat der Recht, der sagt: Wir müssen den Bürgerinnen<br />
und Bürgern der Bundesrepublik Deutschland signalisieren,<br />
dass wir es ernst meinen. Sie müssen wissen, dass es weder<br />
Schall und Rauch oder Sonntagsreden sind, sondern dass<br />
wir auf den Konsolidierungspfad zurückkehren wollen.<br />
(Zuruf bei der SPD: Aha!)<br />
So Herr Steinbrück, als er noch Finanzminister war.<br />
Oder um noch einmal mit Dr. Nußbaum zu sprechen: Dieser<br />
Grundsatz muss in Verfassungsrang gehoben werden. Das steht<br />
auch für die Antragsteller von der FDP, den Grünen und der<br />
CDU außer Frage. An die Regierungskoalitionen appelliere<br />
ich: Lassen Sie uns dann über das Wie im Ausschuss reden. -<br />
Schönen Dank.<br />
(Beifall CDU, FDP sowie GRÜNE/B90)<br />
Präsident Fritsch:<br />
Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete<br />
(Görke [DIE LINKE]: Wir haben getauscht!)<br />
Bischoff nicht, sondern er hat mit Herrn Görke getauscht. Bitte,<br />
Herr Görke, aber für die Linksfraktion.<br />
Görke (DIE LINKE):<br />
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es gibt eine Reihe<br />
guter Gründe, den vorliegenden Antrag auf Verfassungsänderung<br />
abzulehnen.<br />
(Zuruf von der CDU: Ach so!)<br />
Angesichts meiner knappen Redezeit möchte ich mich auf<br />
nur drei Punkte beschränken. Die Oppositionsfraktionen streben<br />
ein verfassungsrechtliches Verbot der strukturellen Neuverschuldung<br />
des Landes Brandenburg an, das abweichend<br />
von der Schuldenbremse im Grundgesetz bereits ab dem Jahr<br />
2015 gelten soll. Diese zusätzliche rechtliche Regelung zur<br />
Untersetzung der Schuldenbremse ist aber gerade in Brandenburg<br />
überflüssig, da wir im Unterschied zu anderen<br />
Bundesländern die Neuverschuldung deutlich schneller reduzieren<br />
wollen, als dies durch die Schuldenbremse überhaupt<br />
vorgesehen ist.<br />
(Zuruf des Abgeordneten Senftleben [CDU])<br />
Die rot-rote Koalition, sehr geehrter Kollege Senftleben, will<br />
die Nettoneuverschuldung bekanntlich bis 2014 auf null zurückfahren.<br />
In Ihrem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren<br />
von CDU, FDP und Grüne, pflegen Sie aus meiner Sicht einen<br />
nahezu kenntnisfreien und argumentationslosen Alarmismus,<br />
für den Sie angesichts der realen Lage überhaupt keine Berechtigung<br />
haben.<br />
Zweitens: Für die angeregte Verfassungsänderung gibt es keine<br />
rechtliche Notwendigkeit. Bis 2020 gilt übergangsweise das<br />
Staatsverschuldungsrecht, wie es sich aus den jeweiligen Landesverfassungen<br />
ergibt. Die Übergangsfrist ermöglicht gerade<br />
das Nebeneinanderbestehen unterschiedlicher landesrechtlicher<br />
Regelungen bis zum Ablauf der Frist nach Artikel 109 des<br />
Grundgesetzes im Jahre 2020.<br />
Zur Ausgestaltung der Übergangsfrist sind landesgesetzliche<br />
Regelungen - und so auch die Kommentare - nicht zwingend<br />
erforderlich. Folglich hat auch die Mehrzahl der Bundesländer<br />
keine gesetzgeberischen Schritte zur Umsetzung der Schuldenbremse<br />
unternommen und hält diese explizit momentan auch<br />
nicht für erforderlich.