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1718 Landtag Brandenburg - 5. Wahlperiode - Plenarprotokoll 5/23 - 7. Oktober 2010<br />
„... Quartal 2010 die Variantenprüfung zur Vergabe von<br />
S-Bahnleistungen abzuschließen. Im Falle einer Entscheidung<br />
für die wettbewerbliche Vergabe eines, mehrerer<br />
oder aller Teilnetze ist das Vergabeverfahren zügig vorzubereiten<br />
...“<br />
Wir sind nun im letzten Quartal 2010 angelangt, und bisher<br />
zeichnet sich kein Abschluss der Variantenprüfung ab. Die meisten<br />
scheinen also zu wissen, dass die Teilausschreibung die beste<br />
Variante ist, und alle scheinen zu wissen, dass die Zeit drängt.<br />
Allerdings stellt sich uns die Frage, warum sich niemand rührt.<br />
Die Zeit wird in der Tat knapp.<br />
Wenn die politische Entscheidung über die Vergabe der Verkehrsleistungen<br />
nicht in diesem Jahr gefällt wird und damit<br />
kein klares Signal an den Markt gesendet wird, kann es natürlich<br />
kein Unternehmen - außer die S-Bahn Berlin GmbH -<br />
schaffen, das Teilnetz bis zum Dezember 2017 in Betrieb zu<br />
nehmen. Aspekte des Genehmigungsverfahrens, die Einhaltung<br />
von Prüfvorschriften des Eisenbahn-Bundesamtes - all dies benötigt<br />
viel Zeit. Hinzu kommt, dass Fahrzeuge eines neuen Betreibers<br />
zunächst entwickelt und selbstverständlich erst gebaut<br />
werden müssen.<br />
Damit wir nicht bessere Qualität und bessere Preise nur auf einem<br />
Teil des S-Bahn-Netzes erreichen, fordern wir die Landesregierung<br />
in unserem Antrag darüber hinausgehend auf, sich in<br />
Verhandlungen mit dem Berliner Senat dafür einzusetzen, dass<br />
auch das übrige Berliner S-Bahn-Netz und die dazugehörigen<br />
Verkehrsleistungen in sinnvollen Teillosen wettbewerblich zügig<br />
ausgeschrieben werden.<br />
Ein guter Zeitrahmen für eine Einteilung in drei Teilnetze wäre<br />
die Inbetriebnahme des zweiten Teilnetzes bis 2019, die Inbetriebnahme<br />
des dritten Teilnetzes bis 2022 und damit die vollständige<br />
Umsetzung des Wettbewerbs auf den S-Bahn-Gleisen.<br />
Durch die zeitlich versetzte Inbetriebnahme der Netze kann der<br />
Ausfall eines Betreibers gestreut werden. Es besteht damit auch<br />
für andere Anbieter genügend Zeit, die notwendige Anzahl an Zügen<br />
zu beschaffen. Selbst wenn die S-Bahn Berlin GmbH, die<br />
sich selbstverständlich an einem wettbewerblichen Vergabeverfahren<br />
beteiligen kann, eine Ausschreibung gewinnen sollte, wäre<br />
eine Situation wie die S-Bahn-Krise, die wir erlebt haben, kaum<br />
möglich. Unternehmen müssen sich im Wettbewerb immer wieder<br />
neu bewähren und daher nachhaltig wirtschaften. Die S-<br />
Bahn - das sagte ich schon im Januar von diesem Pult aus - ist<br />
Teil unseres Brandenburg-Berliner Selbstverständnisses. Wir tun<br />
gut daran, wenn wir dies von der politischen Seite her erkennen.<br />
Stimmen Sie der Überweisung des Antrages in den Ausschuss<br />
zu! Gern nehmen wir uns dort die Zeit, um zu einer im Ausschuss<br />
abgestimmten Position über die Fraktionsgrenzen hinweg<br />
zu kommen, damit die S-Bahn zukünftig dort fährt, wo sie<br />
hingehört, auf dem Wettbewerbsgleis. - Vielen Dank.<br />
(Beifall FDP)<br />
Präsident Fritsch:<br />
Die Abgeordnete Kircheis spricht für die SPD-Fraktion.<br />
Frau Kircheis (SPD):<br />
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Eines<br />
möchte ich zu Beginn meiner Rede festhalten: Was das Ausschreiben<br />
von Schienenverkehrsleistungen angeht, ist Brandenburg<br />
schon lange kein Land mehr, das man zum Jagen tragen<br />
muss. Der frühere Verkehrsminister Dellmann hat durch die<br />
von ihm vorangetriebene Ausschreibung des Regionalverkehrs<br />
nicht nur den Wettbewerb auf der Schiene vorangebracht, sondern<br />
durchaus auch auf die Vielfalt der Anbieter gesetzt. Reinhold<br />
Dellmann hat dem Land damit Einsparungen in Höhe von<br />
mehr als 40 Millionen Euro jährlich gesichert.<br />
Brandenburg wird einen der besten und schnellsten Regionalverkehre<br />
deutschlandweit mit modernsten Fahrzeugen haben.<br />
Trotz Krise der S-Bahn wird dieser Regionalverkehr von immer<br />
mehr Fahrgästen in Anspruch genommen. Er ist ein guter<br />
Beitrag zur ökologischen Verkehrswende.<br />
In Zeiten sinkender Regionalisierungsmittel und auch sonst sinkender<br />
Einnahmen des Landes ist das kein Pappenstiel. Allerdings<br />
sind wir von der Koalition keine Freunde von Ausschreibungen<br />
und Einsparungen um jeden Preis, denn mit den Verkehrsleistungen<br />
gehen bei der Deutschen Bahn auch Arbeitsplätze<br />
verloren - auf den Führerständen, bei den Zugbegleitern<br />
und in den Werkstätten -, und zwar anständig bezahlte Arbeitsplätze.<br />
Was wir stattdessen bei den Wettbewerbern bekommen,<br />
ist manchmal von durchwachsener Qualität. Deshalb verhandeln<br />
die Bahngewerkschaften seit Wochen über einen Branchentarifvertrag.<br />
Genauso lange sperren sich einige Privatbahnen.<br />
Sie wollen den Wettbewerb auf Kosten der Beschäftigten.<br />
Das wollen wir nicht. Wir wollen einen Wettbewerb um die<br />
beste Qualität, nicht um den geringsten Lohn.<br />
In dieser Situation wäre es das falsche Signal, eine Ausschreibung<br />
um jeden Preis ins Gespräch zu bringen. Die Privatbahnen<br />
würden meinen, die Politik schere sich nicht um die Löhne,<br />
die sie zahlen. Das tun wir nicht. Ein Branchentarifvertrag<br />
würde auch den Eisenbahnern in Brandenburg und der Konjunktur<br />
in diesem Land guttun.<br />
Hinzu kommt, dass die S-Bahn Berlin deutschlandweit einen<br />
Sonderfall darstellt. Ihre Muttergesellschaft, die Deutsche<br />
Bahn AG, hat jahrelang die Gewinne abgezogen statt zu reinvestieren.<br />
Sie hat Werkstätten geschlossen, Fachleute entlassen,<br />
Ausbildungsplätze gestrichen, Züge verrotten lassen und damit<br />
nicht nur die Zuverlässigkeit, sondern auch die Sicherheit der<br />
Fahrgäste aufs Spiel gesetzt. Diese Gewinne - Nahverkehrsmittel<br />
aus den Landeshaushalten von Berlin und Brandenburg - liegen<br />
jetzt bei der DB AG und werden dort für höchst umstrittene<br />
Großprojekte eingesetzt, statt flächendeckend zu einer Verbesserung<br />
der Situation im Regionalverkehr beizutragen.<br />
Die schwarz-gelbe Bundesregierung als momentane Verwalterin<br />
der DB AG - sie befindet sich zu 100 % in Bundeseigentum -<br />
ist bis heute jedenfalls nicht dadurch aufgefallen, auf eine gesonderte<br />
Gemeinwohlbindung der DB AG-Gewinne zu achten.<br />
Wir müssen uns daher sorgfältig Gedanken darüber machen,<br />
wie man bei der S-Bahn Berlin GmbH wieder die Qualität anbieten<br />
kann, die hier in Brandenburg Standard ist und die vor<br />
dem Privatisierungswahn auch bei der DB AG Standard war,<br />
egal, ob Betreiber die S-Bahn, die Deutsche Bahn, die kommunale<br />
BVG oder auch die „vormehdornsche“ DB AG war. Sie<br />
hat ihre Arbeitsaufgaben über Jahrzehnte zuverlässig erfüllt<br />
und Höchstleistungen erbracht. Die Probleme traten erst auf,<br />
als ein unverantwortlicher Kostendruck einsetzte. Wir brauchen<br />
eine Bürgerbahn statt Börsenwahn. Wir brauchen zuverlässige<br />
Verkehrssysteme, die den Menschen dienen, statt Rendite<br />
auf dem Rücken von Beschäftigten und Fahrgästen.