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Landtag Brandenburg - 5. Wahlperiode - Plenarprotokoll 5/23 - 7. Oktober 2010 1721<br />
Jungclaus (GRÜNE/B90):<br />
Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe<br />
Gäste! Ein funktionierender ÖPNV kann unserer Auffassung<br />
nach langfristig nur durch einen freien und fairen Wettbewerb<br />
gewährleistet werden. Deshalb begrüßen wir grundsätzlich den<br />
FDP-Antrag, denn er geht in die richtige Richtung. Wettbewerb<br />
auf der Schiene ist unabdingbar.<br />
Am deutlichsten wurde uns das am Beispiel der Berliner S-Bahn<br />
gezeigt. Das Chaos ist immer noch nicht ganz behoben. Wir<br />
müssen leider davon ausgehen, dass sich in diesem Winter die<br />
Pendlerinnen und Pendler erneut in völlig überfüllte Züge quetschen<br />
dürfen oder auf zugigen Bahnsteigen warten müssen.<br />
Der einzige Fortschritt zum vergangenen Jahr wird wohl sein,<br />
dass die S-Bahn das Chaos diesmal schon im Oktober angekündigt<br />
hat.<br />
Für den maroden Zustand des Fuhrparks ist in erster Linie die<br />
Unternehmensstrategie der Bahn AG verantwortlich, den Regionalverkehr<br />
durch Gewinnabschöpfung, den Abbau von Personal<br />
und die Vernachlässigung der Wartung zu schröpfen. Die<br />
Einflussnahme der Politik ist aufgrund eines schlecht verhandelten<br />
Verkehrsvertrages begrenzt. Für diesen Verkehrsvertrag<br />
ist wiederum die Landesregierung mitverantwortlich.<br />
Aus diesen Fehlern der Vergangenheit muss sie lernen. In diesem<br />
Fall heißt das, endlich für fairen Wettbewerb auf der Schiene<br />
zu sorgen. Eine erneute Direktvergabe an die S-Bahn ist kategorisch<br />
auszuschließen. Soweit stimmen wir mit den Forderungen<br />
der FDP überein. Auch den jetzt kritisierten Zeitrahmen<br />
halte ich nicht für so sehr kritisch. Vielmehr hielte ich es für<br />
kritisch, das Schienennetz bis 2022 im Wettbewerb zu vergeben.<br />
Das ist unserer Ansicht nach ein wenig zu ambitioniert.<br />
Denn um fairen Wettbewerb zu gewährleisten, muss die Ausschreibung<br />
auf der Grundannahme beruhen, dass Neufahrzeuge<br />
für den Betrieb angeschafft werden können. Die Kapazitäten<br />
des S-Bahn-Baus geben aber eine komplette Erneuerung<br />
des Fahrzeugparks bis 2022 zu vernünftigen Preisen nicht her.<br />
Verzichtet man in der Ausschreibung jedoch auf eine neue<br />
Fahrzeugflotte, verschafft man der S-Bahn GmbH einen eindeutigen<br />
Wettbewerbsvorteil, denn die S-Bahn verfügt bereits über<br />
einen - wenn auch etwas maroden - Fuhrpark. Die Bevorteilung<br />
der jetzigen Betreiberfirma widerspricht dem Grundprinzip<br />
des fairen Wettbewerbs und ist obendrein aufgrund der nichterbrachten<br />
Leistungen durch die S-Bahn in der Vergangenheit<br />
unbedingt auszuschließen. Wir gehen also davon aus, dass wir<br />
den genannten Zeithorizont im Ausschuss noch etwas realistischer<br />
gestalten können, und stimmen der Überweisung des Antrags<br />
zu. - Vielen Dank.<br />
(Beifall GRÜNE/B90 und FDP)<br />
Präsident Fritsch:<br />
Minister Vogelsänger beendet die Debatte für die Landesregierung.<br />
Minister für Infrastruktur und Landwirtschaft Vogelsänger:<br />
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete!<br />
Herr Beyer, Sie haben Recht: In diesem Jahr muss entschieden<br />
werden. Das ist einfach so. Der Zeitrahmen gibt nicht mehr her.<br />
Wir haben uns zwischen verschiedenen Optionen zu entscheiden.<br />
Eine haben Sie genannt: Kauf der S-Bahn. Ich lehne das<br />
kategorisch ab. Wir sind Aufgabenträger bzw. Besteller und<br />
müssen nicht Besitzer eines Verkehrsunternehmens sein. Das<br />
wäre völlig falsch und kommt ohnehin nicht infrage, weil sich<br />
Herr Grube von dem Unternehmen nicht trennen will. Darüber<br />
braucht man also nicht mehr zu diskutieren.<br />
Herr Genilke, das Teilnetz ist so ausgesucht, dass es betriebswirtschaftlich<br />
darstellbar ist. Man kann nicht einzelne Teile<br />
beliebig heraustrennen. Deswegen werden der Ring und zusätzlich<br />
einige Strecken Richtung Norden und Richtung Süden<br />
genommen. Diese Entscheidung ist bewusst getroffen<br />
worden.<br />
In dem zuständigen Lenkungskreis ist Berlin federführend.<br />
Frau Junge-Reyer leitet ihn; das halte ich für vernünftig. Je nachdem,<br />
welche Statistik man zugrunde legt - Netzlänge, Fahrgäste,<br />
wie auch immer -, haben wir einen Anteil von 10 bis 15 %.<br />
Angesichts dessen ist es logisch, dass Berlin die Federführung<br />
hat. Auch die Berliner Seite weiß, dass wir in diesem Jahr entscheiden<br />
müssen. Der Berliner Finanzsenator und der Wirtschaftssenator<br />
sind noch dabei. Mein Finanzminister hat Vertrauen,<br />
dass wir gut verhandeln.<br />
(Minister Dr. Markov: Richtig!)<br />
Wir haben uns verständigt, wie ich für Brandenburg verhandle.<br />
Im Ausschuss bietet sich uns die gute Gelegenheit, das Pro und<br />
das Kontra zu den einzelnen Varianten - Teilnetzausschreibung,<br />
Vergabe an die BVG oder ein neu zu gründendes Unternehmen -<br />
abzuwägen. Sie haben mich korrekt zitiert. Dem ist nichts<br />
hinzuzufügen. Ich gehe davon aus, dass wir im Ausschuss für<br />
noch mehr Klarheit sorgen können. Entscheiden muss die Landesregierung<br />
Brandenburg in Abstimmung mit Berlin, das, wie<br />
gesagt, in dieser Frage federführend ist. Ich hoffe, wir finden<br />
eine gute Entscheidung, insbesondere im Interesse der S-Bahn-<br />
Nutzer. Sie haben ein besseres Angebot, besseren Service, bessere<br />
Qualität verdient. Das muss unser erstes Ziel in der Verkehrspolitik<br />
sein. - Vielen Dank.<br />
(Beifall SPD und vereinzelt DIE LINKE)<br />
Präsident Fritsch:<br />
Meine Damen und Herren! Wir stimmen über den Antrag<br />
auf Überweisung des Antrags der FDP-Fraktion in der Drucksache<br />
5/2066 an den Ausschuss für Infrastruktur und Landwirtschaft<br />
ab. Wer dem Folge leisten möchte, den bitte ich um das<br />
Handzeichen. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? -<br />
Beides ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag in den Ausschuss<br />
überwiesen.<br />
Ich schließe Tagesordnungspunkt 10 und rufe Tagesordnungspunkt<br />
11 auf:<br />
Schülerinnen und Schüler mit Rechenschwäche nicht<br />
benachteiligen<br />
Antrag<br />
der Fraktion der FDP<br />
der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN<br />
Drucksache 5/2069