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Landtag Brandenburg - 5. Wahlperiode - Plenarprotokoll 5/23 - 7. Oktober 2010 1665<br />
Genilke (CDU):<br />
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die<br />
wichtigste Aufgabe von Politik ist es, die Bürger bei strittigen<br />
Entscheidungen von Anfang an mitzunehmen und sie zu beteiligen.<br />
(Zuruf von der Fraktion DIE LINKE: Genau! - Beifall<br />
GRÜNE/B90)<br />
Was wir gerade in den letzten Wochen erleben durften, war<br />
wohl eher das Gegenteil. Hier wurden Verantwortlichkeiten<br />
hin- und hergeschoben und Informationen viel zu spät in die<br />
Öffentlichkeit getragen. Als die Entscheidung getroffen wurde,<br />
den BBI am Standort Schönefeld zu errichten, war allen Beteiligten<br />
klar, dass dies auch Lärmbelästigungen für die Anrainer<br />
dieses Flughafens mit sich bringen wird. Von Anfang an war es<br />
notwendig, sensibel und transparent mit dem Thema Lärmbelästigung<br />
und Lärmschutz umzugehen, um die betroffenen Menschen<br />
vor Ort für das Projekt zu gewinnen. Die Verantwortlichen,<br />
vor allem in der zuständigen Planfeststellungsbehörde,<br />
also im Verkehrsministerium, haben jedoch wohl eine andere<br />
Strategie gewählt, die eher auf das Aussitzen der Problematik<br />
zielte, bis das Kind nun endgültig in den Brunnen gefallen ist.<br />
(Frau Gregor-Ness [SPD]: Da haben Sie gerade nicht zugehört!)<br />
Die Art und Weise, wie die nun betroffenen Bürger in den<br />
Gemeinden Teltow, Stahnsdorf, Kleinmachnow, Zeuthen und<br />
Wernsdorf über mögliche Überflüge informiert wurden - nämlich<br />
aus der Zeitung -, ist im höchsten Grade unsensibel und<br />
auch unprofessionell.<br />
(Beifall CDU und FDP)<br />
Angesichts dessen ist es nur nachvollziehbar und verständlich,<br />
dass sich die Bürger von der Politik getäuscht fühlen und derzeit<br />
auch eine beeindruckende Protestbewegung in Gang gesetzt<br />
haben. Dies alles hätte verhindert oder zumindest aufgefangen<br />
werden können, wenn diese Gemeinden an dem Planungs-<br />
und Beratungsprozess über die Flugrouten von Anfang<br />
an beteiligt gewesen wären. Seit mehreren Jahren wird in der<br />
Fluglärmkommission darüber diskutiert, und es ist die Aufgabe<br />
der Genehmigungsbehörde, also des Verkehrsministeriums, und<br />
nicht etwa der Bürger vor Ort, dass auch alle potenziell betroffenen<br />
Gemeinden in diese Kommission berufen werden.<br />
(Beifall CDU und FDP)<br />
Nur so ist eine ausgeglichene und alle Interessen wahrende Beteiligung<br />
in der Flugkommission möglich. Leider wurde dies<br />
bisher verpasst und muss jetzt im vorliegenden Fall schnellstens<br />
nachgeholt werden.<br />
Die von der Landesregierung seit Bekanntwerden des nun vorliegenden<br />
Entwurfs der Flugrouten gewählte Strategie des Überraschtseins<br />
hat die Bürger vor Ort doch nur weiter verunsichert<br />
und das Vertrauen in die Politik weiter geschwächt. Wie kann<br />
es sein, dass das Verkehrsministerium des Landes Brandenburg,<br />
einerseits Genehmigungsbehörde, andererseits Teil des<br />
Gesellschafters Flughafen, über eine derart wichtige Entscheidung<br />
keine Kenntnis besitzt oder besitzen will? Das ist unglaubwürdig;<br />
und tatsächlich ist es auch nur die halbe Wahrheit,<br />
das haben Sie später auch indirekt zugegeben, denn bereits<br />
1998 - nicht etwa erst seit 2004 - wies die Deutsche Flugsicherung<br />
die Planfeststellungsbehörde in einem Schreiben<br />
darauf hin, dass bei unabhängigem Betrieb der Startbahnen ein<br />
Abknicken der Flugrouten notwendig sei. Wir haben das Schreiben<br />
mittlerweile alle vorliegen.<br />
Allen, insbesondere dem Ministerium, war damit klar, dass der<br />
Flughafen mit voller Kapazität arbeiten soll. Somit stand fest,<br />
dass die beiden Start- und Landebahnen entsprechend dem<br />
Schreiben der DFS von 1998 unabhängig voneinander betrieben<br />
werden müssen.<br />
Die derzeitige Argumentation des Ministeriums, man hätte damals<br />
nicht genau wissen können, wie abgeknickt wird und welche<br />
Gemeinden endgültig überflogen werden, ist zwar dem<br />
Sinne nach richtig. Nicht nachvollziehbar aber ist, dass man<br />
das Planfeststellungsverfahren und die sich daraus ergebenden<br />
Schallschutzmaßnahmen genau mit der Variante geplant hat,<br />
die bei einem unabhängigen Betrieb der Startbahnen definitiv<br />
gar nicht möglich ist, nämlich der Parallelabflug; denn das<br />
Schreiben der DFS von 1998 sagt eindeutig:<br />
„Ein paralleler Abflug ist bei unabhängigem Betrieb der<br />
Startbahnen definitiv nicht möglich.“<br />
Herr Minister, diesen Umstand sollten Sie nachher unbedingt<br />
schnellstens aufklären.<br />
(Minister Vogelsänger: Mache ich!)<br />
Die Versäumnisse des Ministeriums von 1998 bis heute führen<br />
zu einer denkbar ungünstigen Konstellation. Es besteht nämlich<br />
die Gefahr, dass es zu einer Spaltung der Fluglärmkommission<br />
kommt, denn die - ich sage einmal flapsig - alteingesessenen<br />
- Gemeinden stehen dort den neu hinzugekommenen<br />
Gemeinden gegenüber. Erste gegenseitige Vorwurfsbekundungen<br />
und Schuldzuweisungen wurden hier schon ausgetauscht.<br />
Das ist eine sehr unerfreuliche Entwicklung, denn dadurch<br />
rückt das eigentliche Ziel einer gemeinsamen Lösungsfindung<br />
zur Verbesserung des Lärmschutzes in den Hintergrund. Die<br />
Interessen der verschiedenen betroffenen Gemeinden drohen<br />
nun gegeneinander ausgespielt zu werden, und das Ministerium<br />
wäscht seine Hände in Unschuld. Das geht so nicht weiter!<br />
Wichtigste Frage bleibt nun: Wie können die divergierenden<br />
Interessen der betroffenen Gemeinden in Einklang gebracht<br />
werden? Wichtig ist, dass die betroffenen Bürger bestmöglich<br />
vor Lärm geschützt werden und eine faire Lastenverteilung erfolgt,<br />
ohne dass der Flughafen generell infrage gestellt wird. Es<br />
ist müßig, darüber zu diskutieren, inwiefern der Flughafen<br />
nicht in Schönefeld hätte gebaut werden sollen. Fakt ist, dass er<br />
das wichtigste und größte Infrastrukturvorhaben des Landes<br />
Brandenburg ist und zahlreiche Hoffnungen und Erwartungen<br />
bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung und der Schaffung<br />
von Arbeitsplätzen mit ihm verbunden sind.<br />
(Beifall CDU und FDP)<br />
In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die faire Lastenverteilung<br />
zwischen den beiden Ländern Berlin und Brandenburg<br />
eingehen; Frau Gregor-Ness hat es bereits gesagt. Fest<br />
steht, dass sich die Überflugbelastung in Berlin durch die Eröffnung<br />
des BBI halbieren wird, sodass ich hier klar sage: