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Literaturanalyse Integration in die Arbeitswelt durch Gleichstellung

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Pärli/Lichtenauer/Caplazi: <strong>Literaturanalyse</strong> „<strong>Integration</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> <strong>durch</strong> <strong>Gleichstellung</strong>“ 20<br />

dd)<br />

Gesundheitsproblemen. 73 Damit liegt der Akzent stärker auf dem Aspekt der<br />

„Befähigung“ der Person. 74 Die OECD weist daraufh<strong>in</strong>, dass <strong>die</strong>s evtl. zu strengeren<br />

Anspruchsvoraussetzungen führen kann, was <strong>die</strong> Gefahr birgt, dass es zum Ausschluss<br />

von Personen führt, <strong>die</strong> Leistungen nötig haben. 75 Diesem Gesichtspunkt muss sicher<br />

Rechnung getragen werden. Nichtsdestotrotz wirkt <strong>die</strong>se Neudef<strong>in</strong>ition e<strong>in</strong>er<br />

defektorientierten Sichtweise 76 entgegen und lenkt den Blick auf e<strong>in</strong>e<br />

beschäftigungsorientierte Beh<strong>in</strong>dertenpolitik, <strong>in</strong> der <strong>die</strong> <strong>Integration</strong> von Menschen mit<br />

e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung <strong>in</strong> den Arbeitsmarkt e<strong>in</strong> wichtiges Ziel ist.<br />

Zusammenfassung: Beh<strong>in</strong>dertenpolitik als Fürsorgepolitik und <strong>Gleichstellung</strong>spolitik<br />

2.31 Im Zusammenhang mit der <strong>in</strong> Rz 2.1 gestellten Frage, nach den unterschiedlichen<br />

Def<strong>in</strong>itionen von Beh<strong>in</strong>derung und wie sich <strong>die</strong>se auf beh<strong>in</strong>dertenpolitische Massnahmen<br />

auswirken, lässt sich festhalten, dass sich <strong>in</strong> der Beh<strong>in</strong>dertenpolitik bzw. im<br />

Beh<strong>in</strong>dertenrecht zwei Ansätze herauskristallisieren, denen jeweils e<strong>in</strong> anderer<br />

Beh<strong>in</strong>derungsbegriff zugrunde liegt. NOLÉN zitiert <strong>in</strong> ihrer umfangreichen und breit<br />

abgestützten Analyse schwedischer Stu<strong>die</strong>n und Publikationen zum Thema Beh<strong>in</strong>derung<br />

und Arbeitsleben Autoren, <strong>die</strong> mit Blick auf <strong>die</strong>se zwei auszumachenden Strömungen<br />

von e<strong>in</strong>er Rehabilitationsperspektive und von e<strong>in</strong>er Diskrim<strong>in</strong>ierungsperspektive<br />

sprechen.<br />

2.32 Auf der e<strong>in</strong>en Seite s<strong>in</strong>d <strong>die</strong>s Massnahmen, <strong>die</strong> am e<strong>in</strong>zelnen Individuum ansetzen und<br />

da<strong>durch</strong> gezwungen s<strong>in</strong>d, <strong>durch</strong> genaue Zugangskriterien festzulegen, wer<br />

anspruchsberechtigt ist und wer nicht. Wie unter Rz 2.25 bereits gezeigt, liegt <strong>die</strong>sen<br />

Massnahmen pr<strong>in</strong>zipiell e<strong>in</strong> mediz<strong>in</strong>isches Modell von Beh<strong>in</strong>derung zugrunde. Dies ist<br />

vor allem dann der Fall, wenn <strong>die</strong> Leistungen speziell für Menschen mit e<strong>in</strong>er<br />

Beh<strong>in</strong>derung gedacht s<strong>in</strong>d. Nach Ansicht von DEGENER def<strong>in</strong>iert <strong>die</strong>ser klassische<br />

Sozialfürsorgeansatz bzw. das Rehabilitations- und Wohlfahrtsrecht Menschen mit<br />

e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung „rechtlich e<strong>in</strong>seitig als Hilfeabhängige“. 77 Diese Sichtweise ist nach<br />

Auffassung der Autor<strong>in</strong> von der Überzeugung geprägt, „beh<strong>in</strong>derte Menschen seien auf<br />

Wohlfahrtsleistungen angewiesene Hilfebedürftige, <strong>die</strong> auf dem allgeme<strong>in</strong>en<br />

Arbeitsmarkt nicht (mehr) konkurrieren können“. 78 Um Menschen mit e<strong>in</strong>er<br />

Beh<strong>in</strong>derung e<strong>in</strong> menschenwürdiges Leben zu ermöglichen, setzen Massnahmen, <strong>die</strong> sich<br />

an e<strong>in</strong>em mediz<strong>in</strong>ischen Modell von Beh<strong>in</strong>derung orientieren, im Allgeme<strong>in</strong>en auf<br />

<strong>in</strong>dividuelle ausgerichtete Leistungen und auf e<strong>in</strong>e Förderung <strong>in</strong> Sondere<strong>in</strong>richtung, wie<br />

z.B. <strong>in</strong> Beh<strong>in</strong>dertenwerkstätten usw. 79 Laut den von NOLÉN zitierten Autoren, geht es<br />

aus Sicht <strong>die</strong>ser Perspektive <strong>in</strong> erste L<strong>in</strong>ie darum, Menschen mit Beh<strong>in</strong>derung mit Hilfe<br />

73 OECD (Beh<strong>in</strong>dertenpolitik), vor allem Kapitel 8; siehe auch OECD (Hemmnisse), S. 48f.<br />

74 OECD (Beh<strong>in</strong>dertenpolitik), S. 335.<br />

75 OECD (2006), S. 49.<br />

76 Dass <strong>die</strong> Orientierung an Defiziten oft e<strong>in</strong>e Abwärtsspirale <strong>in</strong> Bewegung setzt, ist aus der<br />

Beh<strong>in</strong>dertenpädagogik h<strong>in</strong>länglich bekannt. Die weit verbreitete Annahme, dass Menschen mit e<strong>in</strong>er<br />

Beh<strong>in</strong>derung grundsätzlich über weniger Fähigkeiten verfügen, führt oft dazu, dass ihnen auch deutlich weniger<br />

Ehrfahrungsmöglichkeiten und Entwicklungschancen zugestanden werden. In der Folge bestätigt sich das<br />

stereotype Bild, dass Menschen mit Beh<strong>in</strong>derung tatsächlich über sehr wenige Fähigkeiten zu verfügen<br />

sche<strong>in</strong>en. Erfahrungen aus der Self-Advocacy Bewegung, zeigen beispielsweise e<strong>in</strong>drücklich über welche<br />

Fähigkeiten Menschen mit e<strong>in</strong>er geistigen Beh<strong>in</strong>derung verfügen, wenn sie nicht mehr hauptsächlich als<br />

passive Hilfeempfänger wahrgenommen werden. siehe dazu ROCK; NIEHOFF, S. 187; THEUNISSEN/PLAUTE, S.<br />

61f. Insofern entspricht <strong>die</strong> Forderung der OECD auch beh<strong>in</strong>dertenpädagogischen und<br />

entwicklungspsychologischen Erkenntnissen.<br />

77 DEGENER (Konstruktion), S. 453.<br />

78 DEGENER (Konstruktion), S. 453f.<br />

79 DEGENER (Konstruktion), S. 454f.; vgl. dazu auch OECD (Beh<strong>in</strong>dertenpolitik), S. 15f.

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