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Literaturanalyse Integration in die Arbeitswelt durch Gleichstellung

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Pärli/Lichtenauer/Caplazi: <strong>Literaturanalyse</strong> „<strong>Integration</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> <strong>durch</strong> <strong>Gleichstellung</strong>“ 55<br />

b) Angemessene Vorkehrungen <strong>in</strong> der RL 2000/78/EG<br />

aa)<br />

Antidiskrim<strong>in</strong>ierung sui generis<br />

3.19 Art. 5 der RL 2000/78/EG verpflichtet den Arbeitgeber angemessene Vorkehrungen zu<br />

treffen, sofern <strong>die</strong> <strong>in</strong> Frage kommenden Massnahmen nicht e<strong>in</strong>e unverhältnismässige<br />

Belastung für den Arbeitgeber bedeutet. Art. 2 Abs. 2 lit. b (ii) der RL 2000/78 stellt im<br />

Zusammenhang mit der Def<strong>in</strong>ition der mittelbaren Diskrim<strong>in</strong>ierung ausdrücklich den<br />

Bezug zur Verpflichtung aus Art. 5 her und verknüpft so <strong>die</strong> Verpflichtung des<br />

Arbeitgebers zu angemessenen Vorkehrungen mit dem allgeme<strong>in</strong>en<br />

Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbot aus Art. 2 der RL 2000/78/EG. Daraus folgt, dass angemessene<br />

Vorkehrungen <strong>die</strong> Person mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e vergleichbare Situation im S<strong>in</strong>ne<br />

und für den Zweck der RL 2000/78/EG versetzt. 225 In <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne ist auch <strong>die</strong><br />

EUROPÄISCHE KOMMISSION zu verstehen: „The pr<strong>in</strong>ciple of equal treatment under<br />

Article 2 as applied <strong>in</strong> the context of disability entails an identification and removal of<br />

barriers <strong>in</strong> the way of people with disabilities who, with reasonable accommodation, are<br />

able to perform the essential functions of the job.“ 226<br />

3.20 Die Verpflichtung der angemessenen Vorkehrung kann nicht dem klassischen Konzept<br />

der direkten oder <strong>in</strong>direkten Diskrim<strong>in</strong>ierung zugeordnet werden. E<strong>in</strong>e Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

<strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne liegt vor, wenn bei gleicher oder vergleichbarer Situation aufgrund<br />

unveränderlicher Persönlichkeitsmerkmale ungleich behandelt wird. Um e<strong>in</strong>e<br />

unberechtigte Ablehnung des Arbeitgebers, angemessene Vorkehrungen im E<strong>in</strong>zelfall zu<br />

treffen, unter das Pr<strong>in</strong>zip der direkten oder <strong>in</strong>direkten Diskrim<strong>in</strong>ierung e<strong>in</strong>ordnen zu<br />

können, müsste aufgezeigt werden, dass <strong>die</strong> Person, <strong>die</strong> e<strong>in</strong>e Anpassung am Arbeitsplatz<br />

benötigt, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gleichen oder vergleichbaren Situation ist wie <strong>die</strong> Person, für <strong>die</strong> ke<strong>in</strong>e<br />

Anpassungen getroffen werden muss. Dieses Erfordernis ist nicht gegeben oder<br />

schwierig darzustellen, da gerade <strong>die</strong> angemessenen Vorkehrungen bewirken sollen, e<strong>in</strong>e<br />

gleiche Ausgangssituation für Menschen mit Beh<strong>in</strong>derung herzustellen. Die<br />

Verpflichtung der angemessenen Vorkehrungen muss deshalb als e<strong>in</strong>e besondere Form<br />

von Antidiskrim<strong>in</strong>ierungsbestimmung, aber gleichbedeutend wie <strong>die</strong> etablierten Formen<br />

von direkter und <strong>in</strong>direkter Diskrim<strong>in</strong>ierung, und der Verstoss gegen <strong>die</strong> Verpflichtung<br />

als Diskrim<strong>in</strong>ierung sui generis charakterisiert werden.<br />

3.21 Das Konzepte der symmetrischen resp. asymmetrischen Diskrim<strong>in</strong>ierungsverbote s<strong>in</strong>d im<br />

Zusammenhang mit Art. 5 der RL 2000/78/EG nicht anwendbar, da sie davon ausgehen,<br />

dass wir es mit Personengruppen (Frau/Mann; Schwarz/Weiss) zu tun haben, deren<br />

Mitglieder im Wesentlichen gleich s<strong>in</strong>d, aber ohne sachlichen Rechtfertigungsgründe<br />

ungleich behandelt werden.<br />

bb)<br />

Abgrenzung zu den positiven Massnahmen<br />

3.22 Die Verpflichtung aus Art. 5 der RL 2000/78/EG ist nicht im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er „affirmative<br />

action“ 227 („positive action“; positive Diskrim<strong>in</strong>ierung) zu qualifizieren. Dem Wortlaut<br />

der Richtl<strong>in</strong>ie kann entnommen werden, dass <strong>die</strong> Mitgliedstaaten zur Umsetzung von<br />

Art. 5 der RL 2000/78/EG verpflichtet s<strong>in</strong>d. Art. 7 der RL 2000/78/EG h<strong>in</strong>gegen stellt<br />

den Mitgliedstaaten frei, ob sie Massnahmen im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er positiven Diskrim<strong>in</strong>ierung<br />

treffen wollen. 228 Art. 7 besagt: „Der Gleichbehandlungsgrundsatz h<strong>in</strong>dert <strong>die</strong><br />

225 EU NETWORK OF INDEPENDENT EXPERTS, S. 13.<br />

226 COM (1999) 565 f<strong>in</strong>al at 8, 9.<br />

227 Zur geschichtlichen Entwicklung des Konzepts der „affirmative action“ siehe OOIMAN ROBINSON.<br />

228 Für e<strong>in</strong>e Def<strong>in</strong>ition von „affirmative action“ <strong>in</strong> <strong>die</strong>sem S<strong>in</strong>ne siehe CROWLEY, S. 73ff.

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