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Literaturanalyse Integration in die Arbeitswelt durch Gleichstellung

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Pärli/Lichtenauer/Caplazi: <strong>Literaturanalyse</strong> „<strong>Integration</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> <strong>Arbeitswelt</strong> <strong>durch</strong> <strong>Gleichstellung</strong>“ 48<br />

ke<strong>in</strong>esfalls Zwang bedeuten darf, e<strong>in</strong>e Beschäftigung aufzunehmen, wird der<br />

Verpflichtungscharakter etwas entschärft. Ferner hält <strong>die</strong> OECD „Sanktionen <strong>in</strong> jenen<br />

Fällen“ nicht für „gerechtfertigt, <strong>in</strong> denen ke<strong>in</strong>e angemessene <strong>Integration</strong>sstrategie<br />

entwickelt wurde“. Auch bezieht <strong>die</strong> OECD <strong>die</strong> Seite der Arbeitgeber <strong>in</strong> den<br />

Verpflichtungsgedanken mit e<strong>in</strong> und spricht von e<strong>in</strong>er „Neugestaltung der<br />

Beh<strong>in</strong>dertenpolitik auf der Grundlage gegenseitiger Verpflichtungen“, denn sie ist der<br />

Auffassung, dass <strong>die</strong> E<strong>in</strong>beziehung der Arbeitgeber für den Erfolg beruflicher<br />

E<strong>in</strong>gliederung ebenfalls von zentraler Bedeutung ist. 201<br />

2.113 Wird <strong>die</strong> unter Rz 2.105 zitierte Def<strong>in</strong>ition von e<strong>in</strong>er Politik, deren Grundpr<strong>in</strong>zip auf<br />

Verpflichtungen für Sozialleistungsempfänger besteht, vor dem H<strong>in</strong>tergrund der zwei <strong>in</strong><br />

Teil II Kapitel 1 c) herausgearbeiteten Richtungen <strong>in</strong> der Beh<strong>in</strong>dertenpolitik analysiert,<br />

so wird deutlich, dass sich <strong>die</strong>ses Modell dem Pol der Fürsorgepolitik zurechnen lässt.<br />

Menschen mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung werden hier hauptsächlich als Empfänger von<br />

Sozialleistungen gesehen, für deren Erhalt sie im Austausch e<strong>in</strong>e (<strong>Integration</strong>s-)Leistung<br />

zu erbr<strong>in</strong>gen haben. Diesem Gedanken liegt e<strong>in</strong> Konzept von Beh<strong>in</strong>derung zugrunde,<br />

dass sich am mediz<strong>in</strong>ischen Modell von Beh<strong>in</strong>derung orientiert. Die Erwerbslosigkeit<br />

von Menschen mit Beh<strong>in</strong>derung wird hier als <strong>in</strong>dividuelles Schicksal def<strong>in</strong>iert, dem mit<br />

geeigneten <strong>in</strong>dividuellen (Rehabilitations-) Massnahmen zu begegnen ist. Das<br />

Pflichtpr<strong>in</strong>zip betrachtet <strong>die</strong> Teilnahme an Programmen zur beruflichen <strong>Integration</strong> als<br />

e<strong>in</strong>en zu leistenden Beitrag des Individuums, ohne dabei den E<strong>in</strong>fluss der sozialen<br />

Umwelt ebenfalls mit e<strong>in</strong>zubeziehen. Damit widerspricht <strong>die</strong>ses Konzept den<br />

wesentlichen Grundzügen der <strong>in</strong> Rz 2.5 dargestellten neuen Def<strong>in</strong>ition von Beh<strong>in</strong>derung<br />

der WHO, <strong>in</strong> welcher der E<strong>in</strong>fluss von Kontextfaktoren auf <strong>die</strong><br />

Partizipationsmöglichkeiten von Menschen mit Beh<strong>in</strong>derung explizit mitberücksichtigt<br />

wird.<br />

2.114 Wird Beh<strong>in</strong>derung hauptsächlich als (defizitäre) Eigenschaft e<strong>in</strong>er Person def<strong>in</strong>iert<br />

und der soziale Aspekt von Beh<strong>in</strong>derung vernachlässigt, geht vergessen, dass <strong>die</strong><br />

Erwerbslosigkeit von Menschen mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung oft wesentlich <strong>durch</strong><br />

ausserhalb der e<strong>in</strong>zelnen Person liegende Faktoren bee<strong>in</strong>flusst ist. E<strong>in</strong>e Stu<strong>die</strong> von<br />

LEICHSENRING und STRÜMPEL belegt beispielsweise, dass e<strong>in</strong>e Anstellung von<br />

Menschen mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung ganz wesentlich mit den konkreten Erfahrungen von<br />

Arbeitgebern zu tun hat. Im Weiteren wird <strong>in</strong> der Stu<strong>die</strong> aufgezeigt, dass <strong>die</strong><br />

Beschäftigung von Menschen mit Beh<strong>in</strong>derung auch von der praktischen Unterstützung<br />

und von Informationen über evtl. Beihilfen, <strong>die</strong> der Arbeitgeber bekommt, abhängt. 202<br />

Auf der Basis e<strong>in</strong>er flächendeckenden Betriebsbefragung <strong>in</strong> Rhe<strong>in</strong>landpfalz hat das<br />

Sozialforschungs<strong>in</strong>stitut <strong>in</strong>fas ebenfalls herausgefunden, dass Information und<br />

Unterstützung für <strong>die</strong> Arbeitgeber e<strong>in</strong>e wesentliche Voraussetzung für <strong>die</strong> E<strong>in</strong>stellung<br />

von Menschen mit e<strong>in</strong>er Beh<strong>in</strong>derung s<strong>in</strong>d (siehe dazu auch Rz 2.90) 203 E<strong>in</strong>e bereits <strong>in</strong><br />

Rz 2.20 erwähnte aktuelle Schweizer Umfrage bei Arbeitgebern, bestätigt <strong>die</strong>se<br />

Ergebnisse. Auch hier zeigt sich, dass viele Arbeitgeber bei mehr Unterstützung z.B.<br />

<strong>durch</strong>aus bereit wären, Menschen mit e<strong>in</strong>er psychischen Beh<strong>in</strong>derung zu beschäftigen.<br />

Ausserdem haben laut OECD allgeme<strong>in</strong>e Arbeitsmarktkräfte e<strong>in</strong>en erheblichen E<strong>in</strong>fluss<br />

auf <strong>die</strong> Arbeitsmöglichkeiten von Menschen mit Beh<strong>in</strong>derung. Der allgeme<strong>in</strong>e Abbau<br />

von Arbeitsplätzen mit niedrigen Qualifikationsanforderungen erhöht <strong>die</strong> Schwierigkeit<br />

201 OECD (Beh<strong>in</strong>dertenpolitik), S. 28 und S. 291ff.<br />

202 LEICHSENRING/STRÜMPEL.<br />

203 SCHARTMANN.

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