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Jahresschrift - Würzburger Dolmetscherschule

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Unterhaltung<br />

126<br />

Eine Sprache lebt in und durch ihre Metaphern.<br />

Ob es eine Sprache gibt oder je gegeben hat, die<br />

ohne Metaphern ausgekommen ist, weiß ich nicht.<br />

Es würde mich doch sehr wundern; sie mag zur Not<br />

funktionieren: lebendig wäre sie nicht (Esperanto?)<br />

Denn Metaphern machen eine Sprache nicht<br />

nur anschaulicher; jedes sprachliche Bild ( 3), jeder<br />

implizite Vergleich - ein solcher ist die Metapher ja<br />

- stellt Bezüge her und ordnet zu, hilft verstehen.<br />

Metaphorischer Sprachgebrauch reicht vom Klischee,<br />

vom unbemerkten Bild, das so vielfach benutzt<br />

wurde und wird und das abgegriffen ist bis<br />

zur Unauffälligkeit, bis hin zur elaborierten Struktur,<br />

zu einer an vielfältigen Bezügen reichen erzählerischen<br />

Figur, wie sie eben auch das Märchen ist.<br />

Das Mittelalter prägt unseren sprachlichen Zugang<br />

zur Welt jedoch nicht nur im Märchen. Auch ein<br />

nicht geringer Teil unserer Sprichwörter, Bauernregeln<br />

– die sowieso - und Redensarten bezieht sich<br />

auf die Welt des Handwerks, ein bäuerlich geprägtes<br />

und daher dörfliches, bestenfalls kleinstädtisches,<br />

auf jeden Fall vorindustrielles Umfeld. Das<br />

geht sogar so weit, dass sich einige der verwendeten<br />

Bilder dem heutigen Menschen gar nicht mehr<br />

erschließen und die Redensart daher scheinbar keinen<br />

Sinn ergibt.<br />

Bauernregeln entstammen, wie der Name schon<br />

sagt, der bäuerlichen Welt und werden oft scherzhaft,<br />

immer mit einer ironischen Distanz "zitiert".<br />

Wem kräht schon noch der Hahn auf dem Mist, und<br />

eine scheinbar wertlose, parodistische Umdichtung<br />

wie "Wenn der Hahn kräht auf dem Mist / ändert<br />

sich das Wetter / oder es bleibt, wie es ist", eine<br />

solche Parodie führt ja das Ganze auch nicht ad<br />

absurdum, sondern bestätigt in ironischer Übertreibung<br />

das Prinzip; was für die Welt von damals galt,<br />

ist heute nicht von vorneherein falsch. "Im Januar<br />

Donnergroll macht Kästen und Kisten voll." Das<br />

mag in den meisten Fällen stimmen, aber die Kästen<br />

und Kisten sind die des Bauern; wir wissen meist gar<br />

nicht mehr, welch "Kisten" und "Kästen" das überhaupt<br />

sein sollen.<br />

Oder: "Scheint am Lichtmesstag die Sonne klar,<br />

gibt's Spätfrost und kein fruchtbar Jahr" - was mit<br />

Lichtmesstag gemeint ist? Mariä Lichtmess ist ca 40<br />

Tage nach Weihnachten bzw. der 2. Februar und ein<br />

wichtiger Tag im bäuerlichen Kalender: der Wiederbeginn<br />

der landwirtschaftlichen Arbeiten nach der<br />

winterlichen Zwangspause und das Ende des Jahres<br />

und Zahltag für Knechte und Mägde (so man hatte).<br />

Auf jeden Fall ist der Tag nach dem alten Heiligenkalender<br />

früherer Zeiten benannt, und nicht nach<br />

einem modernen Datum!<br />

Und allgemeine Redensarten?<br />

Schauen wir uns einmal ein paar an: "Etwas im<br />

Schilde führen" und "für jmd. eine Lanze brechen"<br />

(beides beim ritterlichen Turnier) ( 4), "sattelfest<br />

sein", "aus dem Stegreif (=Steigbügel)", "das Heft<br />

(den Griff des Schwertes) in der Hand haben",<br />

( 3) im Lichte des oben Gesagten eigentlich ein Oxymoron,<br />

ein Widerspruch in sich: das „sprachliche Bild“ - und doch<br />

ist es genau das, was eine Metapher ausmacht.<br />

( 4)gehören zu den wenigen Redensarten, die zwar erkennbar<br />

aus dem Mittelalter, aber nicht aus der bäuerlichen<br />

Welt stammen

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