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Jahresschrift - Würzburger Dolmetscherschule

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"sein Licht unter den Scheffel ( 5) stellen", "sein<br />

Scherflein beitragen" (ein Scherflein ist eine sehr<br />

geringe Münze), "jmd um Haus und Hof bringen";<br />

"alles unter Dach und Fach (der Scheune, und zwar<br />

nach Beendigung der Ernte)". "Jmd [nicht] das<br />

Wasser reichen [können]"(nach dem Mahl, bei dem<br />

man mit den Fingern gegessen hatte); "jmd einen<br />

Korb geben", "ins Fettnäpfchen treten", "jmd an<br />

den Pranger stellen" und ähnlich "jmd etwas anhängen"<br />

(nämlich aus Strafe und zur Beschämung).<br />

Und so weiteer und so fort.<br />

Alle Redensarten mit "Bär" ("einen Bären aufbinden",<br />

"einen Bärenhunger haben" etc.) dürften<br />

recht alt sein: Bären gibt es in Deutschland seit<br />

dem 18. Jahrhundert nicht mehr. Für den "Wolf im<br />

Schafspelz" gilt ähnliches: Wölfe gibt es hier seit<br />

weit mehr als hundert Jahren nicht mehr.<br />

Soweit die Redewendungen. Sprichwörter sind<br />

dagegen volkstümliche Erfahrungsweisheit, prägnant<br />

zugespitzt in der Formulierung und syntaktisch<br />

jeweils eine selbständige Einheit und nicht nur<br />

Satzteil wie die Redewendung. Interessanterweise<br />

kannte der mittelalterliche Mensch erheblich mehr<br />

Sprichwörter als der moderne Mensch: es war ja die<br />

Erfahrungsweisheit von Generationen (wie wir sie<br />

heute in Bibliotheken bzw. ins Internet und sonstwohin<br />

verbannt haben). Zu den Sprichwörtern aus<br />

dem Mittelalter gehören zum Beispiel "Aller guten<br />

Dinge sind drei" ('Dinge' bezieht sich hier auf das<br />

altgermanische Thing, das Gericht: Dreimal im Jahr<br />

war Gerichtstag). "das schlägt dem Fass den Boden<br />

aus", "umgekehrt wird ein Schuh draus" oder "wes<br />

Brot ich ess, des Lied ich sing"<br />

Wie überhaupt viele Redewendungen und Sprichwörter<br />

zumindest indirekt die Lebens- und Erfahrungswelt<br />

früherer Zeiten widerspiegeln. Die Prägnanz<br />

vieler Formulierungen lässt außerdem auf die<br />

oben dargelegte Unmittelbarkeit und Unvermitteltheit<br />

der damaligen Welterfahrung schließen.<br />

Wir zehren heute noch davon.<br />

( 5) Der Scheffel ist ein schaufelartiges Gefäß, das früher<br />

als Getreidemaß verwendet wurde. Ein Licht, das man unter<br />

den Scheffel stellt, ist abgeschirmt, es leuchtet nicht<br />

weit. (c) Dudenverlag<br />

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