Jahresschrift - Würzburger Dolmetscherschule
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Doch auch im meinem Wirtschaftskurs sollte sich<br />
die Vorbildung aus der WDS und aus dem Gymnasium<br />
als äußerst hilfreich erweisen. Ohne anerkannte<br />
akademische Vorbildung wurden wir mit Studenten<br />
des MSc International Business zusammengeworfen,<br />
um uns auch den zweiten Teil unseres Kursnamens<br />
zu verdienen. In einer Gruppe mit lediglich 2<br />
Engländern, die jedoch auch ihren MA in Translation<br />
for International Business machten, sollten wir<br />
nun also auch mithalten können. Tatsächlich gelang<br />
uns dies und die besten Ergebnisse stammten regelmäßig<br />
aus den Reihen der „Linguisten“ unter uns.<br />
Doch auch außerhalb der Uni warteten viele Herausforderungen<br />
des täglichen Lebens. Das Eröffnen<br />
eines Bankkontos sollte sich als unfassbar schwierig<br />
herausstellen; nicht etwa aus formalen Gründen,<br />
sondern einfach aus Mangel an Koordination und<br />
Organisation seitens der Universität und der Bank.<br />
Die fehlende Organisation an der Uni sollte sich<br />
noch mehr als einmal als Problem herausstellen.<br />
Doch auch der erste Ausflug in den Supermarkt war<br />
ein Abenteuer. Neue Münzen und neue Scheine, an<br />
die man sich gewöhnen musste, seltsame Produkte<br />
und die Abwesenheit der bekannten Dinge aus<br />
heimischen Supermärkten sollten dabei am Anfang<br />
nur das kleinste Problem sein. Das viel größere Problem<br />
sollte doch der örtliche Dialekt, das Mancunian<br />
oder einfach Manc, sein. Seltsam anmutende<br />
Aussprache, ungewöhnliche Formulierungen, wie<br />
etwa half seven für 7:30 und mir völlig unbekannte<br />
Begriffe wie ta oder cheers, das mir eben nur als<br />
Prost bekannt war. Die Tatsache, dass diese beiden<br />
Worte jedoch im Norden völlig die Rolle des Aus-<br />
drucks Thank you übernommen hatten, war mir völlig<br />
unbekannt. Und dazu auch noch die Aussprache<br />
meines Mitbewohners. Ein Engländer aus Burnley.<br />
Im Laufe meiner Zeit sollte ich feststellen, dass ich<br />
immer ein Grinsen oder ein Oh Gott oder ein Und,<br />
verstehst du ihn? ernten würde. Ein Umstand, den<br />
ich durchaus nachvollziehen kann, hatte ich doch<br />
am Anfang meiner Zeit in Salford nicht den Hauch<br />
einer Ahnung, was er mir eigentlich erzählte. Doch<br />
dies sollte sich ändern, und mehrfach agierte ich<br />
als Dolmetscher zwischen meinem Mitbewohner<br />
und anderen Engländern, da es ihnen einfach nicht<br />
möglich war, ihn zu verstehen; ich mich aber aufgrund<br />
des Zusammenlebens so sehr daran gewöhnt<br />
hatte, dass es für mich kein Problem mehr darstellte<br />
und ich sogar seine Aussprache selbst übernommen<br />
habe.<br />
Doch auch in den eigenen vier Wänden warteten<br />
immer wieder Rätsel. Was hat es mit diesen „Steckdosen“<br />
auf sich? Wozu zwei getrennte Wasserhähne<br />
und wie soll man sich damit vernünftig die<br />
Hände waschen, ohne sich eine zu verbrennen,<br />
während die andere abfriert? Und vor allem, wieso<br />
gibt es eine elektrische Sicherung für eine Dusche?<br />
Zumindest den historischen Hintergrund der<br />
zwei Wasserhähne konnte mir ein Professor erklären,<br />
aber wie man sich die Hände damit waschen<br />
soll, konnte auch er mir nicht erklären und das wird<br />
wohl ein ewiges Mysterium bleiben....<br />
Tobi Blanck<br />
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