Jahresschrift - Würzburger Dolmetscherschule
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ges Pulver auf Blei-Basis) bei<br />
farbigen, meist roten Tinten.Von<br />
dem Wort Mennige<br />
stammt übrigens letztlich das<br />
Wort Miniatur ab (von miniare<br />
„rot malen“: der Anklang<br />
an mini- ist zufällig!).Viele<br />
wertvolle Handschriften<br />
sind sehr bunt, und das setzt<br />
kompliziert herzustellende<br />
Farben, Tuschen und Tinten<br />
voraus. Man musste weitreichende<br />
Kenntnisse von natürlichen wie künstlichen,<br />
anorganischen wie organischen Färbemitteln haben.<br />
Karmin aus vermahlenen Schildläusen, Purpur<br />
von der Purpurschnecke, mineralisch als Grünspan<br />
oder Zinnober, grün aus Pflanzensäften. Bei ganz<br />
besonders kostbaren Handschriften wurde immer<br />
wieder Blattgold aufgelegt, eine hauchdünn ausgeschlagene<br />
Folie des Edelmetalls, die mit einem geeigneten<br />
Kleber auf dem Blatt fixiert wurde, etwa<br />
mit Terpentin- oder Leinöl, Eiweiß oder Fischleim..<br />
Je nach Text und Inhalt der Handschrift wurden Initialen<br />
ausgeschmückt; bei älteren oder einfacheren<br />
Manuskripten zumindest rot hervorgehoben: daher<br />
„Rubrik“ (von „ruber“: lat. rot).<br />
Nachdem die mittelalterliche Buchmalerei<br />
über viele Jahrhunderte praktiziert wurde,<br />
und das in Europa und im Orient, gab es<br />
vielfältige Formen, Schulen und Traditionen.<br />
Die ältesten Manuskripte sind byzantinisch;<br />
wobei wir uns hier auf die Tradition<br />
seit der Erfindung des Codex (der die ältere<br />
Schriftrolle ablöste) beziehen, und die<br />
Kunst endete allmählich mit der Erfindung<br />
des Buchdrucks im späten 15. Jahrhundert.<br />
Das sind gut tausend Jahre!<br />
Viele Handschriften werden vor allem durch<br />
die Details am Rande interessant. So gibt es<br />
gelegentlich Anmerkungen des Kopierers,<br />
sogenannte „Glossen“, bescheiden am Rand<br />
oder durchaus auch einmal mitten im Text.<br />
In diesem Zusammenhang seien die „<strong>Würzburger</strong><br />
Glossen“ erwähnt, die zu den ältesten Belegen der<br />
Altirischen Sprache (also des Frankenapostels Muttersprache)<br />
gehören.<br />
Oft finden sich am Rand von Manuskripten auch<br />
„Anmerkungen“ zeichnerischer Art, kleine Bildchen,<br />
Katze und Maus oder lustige kleine Ungeheuer,<br />
oder auch Alltagsszenen, die uns vieles über das<br />
Leben im Mittelalter verraten. Hier sind es besonders<br />
Manuskripte wie der Luttrell Psalter, die ganze<br />
Geschichten erzählen.<br />
Wer sich etwas ausführlicher mit mittelalterlichen<br />
Manuskripten beschäftigt, wird sehr bald auf die<br />
frühen inselkeltischen Manuskripte wie das Gospel<br />
of Lindisfarne, das Book of Durrow oder das buchstäblich<br />
atemberaubende Book of Kells stoßen.<br />
Wegen Walther von der Vogelweide und anderen<br />
Minnesängern interessiert viele die Große Manessesche<br />
Liederhandschrift aus dem frühen 14. Jahrhundert.<br />
Aber auch das Stundenbuch des Herzogs von<br />
Berry, Les Très Riches Heures du Duc de Berry aus<br />
dem 15. Jahrhundert ist ein in jeder Hinsicht grandioses<br />
Buch.<br />
Peter Hauck<br />
Detail aus dem Luttrell Psalter<br />
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