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Jahresschrift - Würzburger Dolmetscherschule

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Exkursionen<br />

Exkursion nach Nürnberg<br />

30.11.2010<br />

46<br />

Es ist dunkel und nach den grellen Lichtern des<br />

Christkindlesmarkt und dem Gedränge der U-Bahn<br />

wirkt das Gebäude frostig und abweisend. Genauso<br />

wie der Empfang durch das Personal. Nun handelt<br />

es sich bei dem Gebäude um den Nürnberger<br />

Justizpalast. Diese Art von Einrichtungen werden<br />

nur sehr selten mit<br />

einem Auge für<br />

eine angenehme<br />

und einladende<br />

Erscheinung errichtet.Freundlichkeiten<br />

sind dem<br />

Justizwesen fremd.<br />

Ob das Personal<br />

des „Memoriums<br />

Nürnberger Prozesse“<br />

in der gleichen<br />

Branche ihre Karriere<br />

begann, kann<br />

nach einem Wechselspiel<br />

von ungezwungenen<br />

Unfreundlichkeiten und gezwungener<br />

Freundlichkeit allerdings nicht eindeutig festgestellt<br />

werden.<br />

Als er dann spricht, ist aller Ärger verflogen. Ruhig<br />

klingt diese Stimme, geschmeidig gemacht von<br />

einem langen Leben und ausgehärtet vom Alter.<br />

Es ist die Stimme von Siegfried Ramler, einem der<br />

letzten noch lebenden Simultandolmetscher der<br />

Nürnberger Prozesse. Über seine Erlebnisse von damals<br />

hat er ein Buch geschrieben: „Die Nürnberger<br />

Prozesse - Erinnerungen des Simultandolmetschers<br />

Siegfried Ramler“. Eine Gruppe von Schülern und<br />

Lehrern der WDS hat an diesem Tag nun die Gele-<br />

genheit, sich an diesem Ort mit ihm zu unterhalten:<br />

über die Prozesse, die die Größen des Nazi-Regimes<br />

richten sollten, über die Pionierarbeit, die damals<br />

von den ersten Simultandolmetschern geleistet<br />

wurde, und auch ein wenig über das Leben des<br />

nun 85-Jährigen. Später soll er noch im berühmten<br />

Schwurgerichtssaal 600 aus seinem Buch lesen, aber<br />

jetzt ist er nur für uns da.<br />

Es ist sehr still in dem kargen Raum im Obergeschoss.<br />

Ein knappes Dutzend Stuhlreihen stehen<br />

dort auf grauem Boden zwischen grauen Wänden.<br />

Er sitzt ganz vorne, alleine an einem Tisch und erzählt.<br />

Er scheint sich über die Aufmerksamkeit zu<br />

freuen, über diese Besucher, die seinen Erinnerungen<br />

lauschen. Nur manchmal, wenn er ins Stocken<br />

gerät und zu überlegen anfängt, was er denn noch<br />

erzählen soll, erinnert man sich auch selbst daran,<br />

wie weit zurück das nun schon alles liegt. Und dann<br />

beschleicht einen auch dieses ungute Gefühl, denn<br />

vor uns hat er schon einem Geschichte-Leistungs-

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