Wächter zu vergessen. Diese Feststellung und meine Bestürzung schienen ihn zubelustigen.»Ich habe dir doch gesagt, daß du dich nur verwirrst, wenn du redest«, sagte er undlachte. »Aber wenigstens weißt du jetzt, daß du auf deinen Willen wartest. Du weißtimmer noch nicht, was das ist oder wie du ihn entdecken wirst. Darum beobachtesorgfältig alles, was du tust. Das, was dir helfen könnte, deinen Willen zu entwickeln,ist irgendeines der vielen kleinen Dinge, die du normalerweise tust.«Den ganzen Morgen über blieb Don Juan fort; er kehrte am frühen Nachmittag miteinem Büschel trockener Pflanzen zurück. Er gab mir mit einer Kopfbewegung zuverstehen, daß ich ihm helfen sollte, und wir beschäftigten uns stundenlang invölligem Schweigen damit, die Pflanzen zu sortieren. Als wir fertig waren, setzten wiruns hin um auszuruhen, und er lächelte mir wohlwollend zu.Ich setzte ihm ernsthaft auseinander, daß ich, nachdem ich meine Notizendurchgesehen hatte, immer noch nicht verstand, was es bedeutete, ein Krieger zusein, und was der Begriff des Willens beinhaltete.»Wille ist kein Begriff«, sagte er.Dies war das erstemal, daß er an diesem Tag mit mir sprach. Nach einer langenPause fuhr er fort: »Wir sind verschieden, du und ich. Wir haben nicht den gleichenCharakter. Dein Wesen ist gewalttätiger als meines. Als ich in deinem Alter war, warich nicht gewalttätig, sondern bösartig. Bei dir ist es umgekehrt. Mein Wohltäter warso wie du. Er hätte sehr gut dein Lehrer sein können. Er war ein großer Zauberer,aber er konnte nicht sehen. Nicht so wie ich sehe oder wie Genaro sieht. Mein Sehenl aßt mich die Welt verstehen und führt mein Leben. Mein Wohltäter dagegen mußteleben wie ein Krieger. Wenn ein Mann sieht, dann braucht er nicht wie ein Kriegeroder sonstwie zu leben, dann kann er die Dinge sehen, wie sie wirklich sind, undkann sein Leben darauf einrichten. Aber angesichts deines Charakters möchte ichsagen, daß du vielleicht nie lernen wirst zu sehen, und in diesem Fall wirst du deinganzes Leben wie ein Krieger leben müssen. Mein Wohltäter sagte, ein Mensch, dersich auf den Weg der Zauberei begibt, erkennt nach und nach, daß das normaleLeben für immer hinter ihm liegt, daß das Wissen tatsächlich eine beängstigendeSache ist, daß er sich nicht mehr durch die Mittel der normalen Welt schützen kannund daß er eine neue Art zu leben lernen muß, wenn er überleben will. Das erste,was er an diesem Punkt tun sollte, ist zu versuchen, ein Krieger zu werden, und diesist eine sehr wichtige Entscheidung. Die beängstigende Eigenart des Wissens läßtSeite 130
ihm keine <strong>andere</strong> Möglichkeit, als ein Krieger zu werden.Aber sobald das Wissen zu einer furchterregenden Angelegenheit wird, erkennt derMensch gleichzeitig, daß der Tod als unersetzlicher Partner neben ihm auf der Mattesitzt. Jedem Stück Wissen, das Macht wird, wohnt der Tod als zentrale Kraft inne.Der Tod gibt die letzte Prägung, und was vom Tod geprägt wird, verwandelt sich inwirkliche Macht. Ein Mann, der dem Weg der Zauberei folgt, ist bei jedem Schritt mitseiner drohenden Vernichtung konfrontiert, und so wird er sich unausweichlich seinesTodes deutlich bewußt. Ohne das Bewußtsein des Todes wäre er nur ein normalerMensch, der sich mit normalen Taten abgibt. Es würde ihm die notwendige Potenz,die notwendige Konzentration fehlen, die unsere alltägliche Zeit auf Erden inmagische Macht verwandelt. Darum muß ein Mann, um ein Krieger zu sein, in ersterLinie mit seinem Tod vertraut sein. Und das zu Recht. Die Furcht vor dem Tod zwingtjeden von uns, sich auf unser Selbst zu konzentrieren, und das schwächt uns. Dasnächste, was ein Krieger braucht, ist daher das Losgelöstsein. Der Gedanke an denbevorstehenden Tod verliert dann alles Beängstigende und wird etwasGleichgültiges.«Don Juan schwieg und sah mich an. Er schien auf eine Antwort zu warten.»Verstehst du mich?« fragte er.Ich verstand, was er gesagt hatte, aber ich selbst konnte mir nicht vorstellen, wieman ein solches Gefühl des Losgelöstseins erreichen sollte. Ich sagte, ich hätte inmeiner eigenen Lehrzeit bereits den Augenblick erlebt, in dem das Wissen zu einerderart furchterregenden Angelegenheit wurde. Auch konnte ich ehrlich behaupten,daß ich mich nicht mehr auf die normalen Voraussetzungen meines täglichen Lebensverlassen konnte. Und ich wollte, ja vielleicht mehr noch, ich mußte lernen wie einKrieger zu leben. »Dann mußt du dich loslösen«, sagte er. »Wovon?«»Löse dich von allem.« »Unmöglich. Ich möchte kein Eremit sein.« »Wer ein Eremitsein will, der läßt sich gehen, und das habe ich nie gemeint. Ein Eremit ist nichtlosgelöst, denn er gibt sich willentlich seinem Eremitendasein hin.Nur der Gedanke an den Tod verhilft einem Mann zu einer so hochgradigenGelöstheit, daß er sich an nichts mehr hingeben kann. Ein solcher Mann ersehntnichts, denn er hat eine ruhige Freude am Leben und an allen Dingen des Lebenserlangt. Er weiß, daß der Tod hinter ihm schreitet und ihm nicht die Zeit läßt, sich anirgend etwas zu klammern. Und so versucht er alles und jedes, ohne sich jedochdaran zu hängen. Ein losgelöster Mann, der weiß, daß es keine Möglichkeit gibt, demSeite 131
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Carlos CastanedaEine andere Wirklic
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25. Auflage: April 2001Ungekürzte
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spricht, brachte in dieser Sprache
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transzendierende Wissen, während e
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sich ausdrücklich mit der Absicht
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»Aber auch ich sehe alles möglich
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Dann ließ er die Hand zur Seite he
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etwas Deprimierendes, daher nahm ic
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es sah, ihre Welt sie bereits zu ge
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Yaqui-Indianer und die mexikanische
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machen, und unter anderem erwähnte
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hast keine Angst mehr. Aber wenn n
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desinteressierten Eindruck.Die Frau
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meinte, was er sagte.»Lyrisches Wi
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passierte. Du hast sehr viel verlor
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Er meinte, man könne sie vielleich
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Unterschied besteht darin, daß sie
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»Das macht Spaß«, sagte er, »od
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durch das die Teilnehmer zur Übere
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Platz hieße eben einfach Glas. »I
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Wand übrig war. Die Frauen schiene
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Elastizität. Trat ich auf eine erh
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Nach Einbruch der Dämmerung schich
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fror und fühlte mich sehr einsam u
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Vergleich zu seinen Kameraden stets
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»Ich habe Peyote auf den Feldern g
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»aber was tut er, außer trinken?
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du gesehen?« fragte er.Don Juan dr
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Ich erinnerte sie daran, daß sie b
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Eligio und sang, wobei er seinen K
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Zentimeter über dem Boden, dadurch
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»Kannst du denn gar nichts machen,
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eines Schauspielers.« »Dann muß
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Wahrnehmung. Ich suchte nach einer
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ist ebenfalls kontrollierte Torheit
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ist, fragst du, wie kann ich dann w
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werden dasselbe ist.Jetzt hast du A
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schlösse, würde ich das Zwielicht
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daran, sie zu erklären oder zu ver
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wohlüberlegt, denn jedes Ding, das
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explodieren. Ich stand auf und legt
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gehabt, irgendwelche Gehilfen zu en
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auf. Nach einer langen, quälenden
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nannte. Ich war überrascht. Er bem
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Sie lachten laut. Don Genaro klopft
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Don Genaro gehört hatte.»Übrigen
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eruhigt.«Sie rückten von mir ab u
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Unterbrechung willkommen, denn ich
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einem Freund zusammengesessen, als
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den Händen bedecken und meine Knie