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Castaneda_Eine_andere_Wirklichkeit - WordPress.com

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aus dem Buch vorlas und erklärte. Er hörte aufmerksam zu und unterbrach mich keineinziges Mal. Zweimal machte ich eine kurze Pause, während er Wasser und etwaszu essen holte, aber sobald er wieder bereit war, drängte er mich, weiterzulesen. Erschien sehr interessiert. Als ich fertig war, sah er mich an. »Ich verstehe nicht, wiediese Leute da vom Tod reden, als sei der Tod wie das Leben«, sagte er leise.»Das ist vielleicht die Art, wie sie es auffassen. Glaubst du, die Tibetaner sehen?«»Kaum. Wenn ein Mann Sehen lernt, bleibt nichts, was er kennt, bestehen. Garnichts. Wenn die Tibetaner sehen könnten, dann wüßten sie genau, daß keineinziges Ding dasselbe bleibt. Sobald wir sehen, ist uns nichts mehr vertraut. Nichtsbleibt so, wie wir es kannten, als wir noch nicht sahen.« »Aber, Don Juan, vielleichtist sehen nicht für jeden dasselbe.«»Richtig, es ist nicht dasselbe. Aber das heißt nicht, daß die Bedeutungen desLebens dieselben bleiben. Wenn man sehen lernt, dann bleibt überhaupt nichts wiees war.« »Die Tibetaner glauben offenbar, daß der Tod wie das Leben ist. Wie stellstdu selbst dir den Tod vor?« fragte ich. »Ich glaube, daß der Tod mit überhaupt nichtszu vergleichen ist. Und ich glaube, die Tibetaner müssen von etwas <strong>andere</strong>msprechen. Auf jeden Fall sprechen sie nicht vom Tod.« »Wovon, glaubst du,sprechen sie?«»Du bist es, der liest.«Ich versuchte, noch etwas zu sagen, aber er fing an zu lachen.»Vielleicht sehen die Tibetaner wirklich«, fuhr Don Juan fort, »und in diesem Fallmüssen sie erkannt haben, daß das, was sie sehen, überhaupt nicht zu erklären ist,und sie haben diesen ganzen Unsinn nur geschrieben, weil es für sie doch keinenUnterschied macht; in diesem Fall wäre das, was sie geschrieben haben,keineswegs Unsinn.« »Mir ist wirklich egal, was die Tibetaner zu sagen haben, abermir ist nicht egal, was du zu sagen hast. Und ich möchte gern hören, was du überden Tod denkst.«<strong>Eine</strong>n Moment starrte er mich an und schmunzelte. Er riß die Augen auf und hob dieAugenbrauen mit einem komischen Ausdruck der Überraschung.»Der Tod ist ein Wirbel. Der Tod ist das Gesicht des Verbündeten. Der Tod ist eineleuchtende Wolke über dem Horizont. Der Tod ist das Flüstern Mescalitos in deinenOhren. Der Tod ist das zahnlose Maul des Wächters. Der Tod ist Genaro, wenn erauf dem Kopf sitzt. Der Tod bin ich, wenn ich spreche. Der Tod bist du und deinSchreibblock. Der Tod ist nichts, gar nichts. Er ist da, und trotzdem ist er nicht da.«Seite 170

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