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Rechtliche Grundlagen im medizinischen Alltag - SAMW

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Patienten-Verhältnis darf auch <strong>im</strong> Strafvollzug eine diagnostische oder therapeutischeMassnahme nur nach Aufklärung und mit dem freien Einverständnis derinhaftierten Person durchgeführt werden. Zudem besteht auch hier ein Recht aufVertraulichkeit und Datenschutz.In Notfallsituationen kann die Ärztin – nach den gleichen Kriterien, die für nichtinhaftiertePersonen gelten – auf die Einwilligung verzichten. Dies gilt z.B. fürmedizinisch begründete Massnahmen zur physischen Ruhigstellung, die jedochhöchstens für einige wenige Stunden und unter regelmässiger Beobachtung inBetracht gezogen werden dürfen. Ist der Patient aber urteilsfähig, muss sein Willerespektiert werden. Dies gilt auch für einen Hungerstreik, der zu einem beträchtlichenGesundheitsrisiko für den Betroffenen führen kann. Fällt die hungerstreikendePerson in ein Koma, geht die Ärztin nach ihrem Gewissen und ihrer Berufsethikvor, es sei denn, die betreffende Person habe ausdrückliche Anordnungenfür den Fall eines Bewusstseinsverlusts hinterlegt. Solche sind zu respektieren,auch wenn sie den Tod zur Folge haben können. Die Frage ist allerdings, ob derTodeswunsch ernsthaft ist, will doch der Hungerstreikende in der Regel ein best<strong>im</strong>mtesZiel erreichen und nicht sein Leben beenden. Auch unter Juristen stiessder Entscheid des Bundesgerichts betreffend Bernard Rappaz auf Kritik: Es wolltedie Ärzte verpflichten, am Hungerstreikenden eine Zwangsernährung nach denRegeln der Kunst und unter Beachtung der Menschenwürde anzuwenden 162 –nicht nur aus ärztlicher Sicht ein unauflösbarer Widerspruch.Die ärztliche Schweigepflicht gemäss Art. 321 StGB besteht grundsätzlich auchgegenüber dem Überwachungspersonal einer Haftanstalt. Aus diesem Grundmüssen die Krankengeschichten unter ärztlicher Verantwortung aufbewahrt werden.Ausnahmen von der Schweigepflicht sind zum Schutz vor der Übertragungansteckender Krankheiten oder bei unmittelbarer Gefahr von selbst- oder fremdgefährdendenHandlungen der inhaftierten Person zulässig. Hier ist aber jederFall einzeln zu beurteilen.Konflikte können entstehen, wenn ein Arzt Zeuge von schwerwiegenden disziplinarischenMassnahmen (z. B. Isolation) wird oder gar Misshandlungen feststellt.Disziplinarische Massnahmen dürfen nur durchgeführt werden, wenn sie mitdem Erhalt der Gesundheit vereinbar sind; Hinweise auf Misshandlungen müssenvom behandelnden Arzt festgehalten und den Aufsichtsbehörden gemeldetwerden. Ein Spannungsfeld kann auch zwischen Strafauftrag des Gefängnissesund Gesundheitsschutz bestehen, wenn Desinfektionsmaterial und Einwegspritzenzur Risikominderung bei Suchtmittelkonsum zur Verfügung gestellt werden.Aus grundsätzlichen Überlegungen muss sich deshalb die Ärztin gegenüber polizeilichenoder Strafvollzugsbehörden auf volle Unabhängigkeit berufen könnenund ihre Entscheidungen ausschliesslich auf medizinische Kriterien stützen.162 Urteil vom 26. August 2010, 6B_599/2010.90

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