06.12.2012 Aufrufe

Stabile Architektur für Europa - Sachverständigenrat zur ...

Stabile Architektur für Europa - Sachverständigenrat zur ...

Stabile Architektur für Europa - Sachverständigenrat zur ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

100 Europäische Wirtschaftspolitik: <strong>Stabile</strong> <strong>Architektur</strong> <strong>für</strong> <strong>Europa</strong><br />

3. Weitere Reformen der wirtschaftspolitischen Steuerung<br />

167. Ein neues Element der wirtschaftspolitischen Steuerung in der EU ist das Verfahren<br />

bei einem makroökonomischen Ungleichgewicht (VMU). Wie beim SWP lässt sich eine<br />

präventive und eine korrektive Komponente unterscheiden, wobei lediglich bei Vorliegen<br />

eines „übermäßigen Ungleichgewichts“ eine Sanktionsmöglichkeit gegeben ist. Eine große<br />

Sichtbarkeit in diesem Verfahren besitzt das jährlich von Eurostat ausgewiesene Scoreboard,<br />

das aus zehn Indikatoren mit dazugehörigen Grenzwerten besteht. Die Bewertung, ob makroökonomische<br />

„Ungleichgewichte“ vorliegen und ob diese „übermäßig“ sind, geschieht aber<br />

nicht allein auf Basis des Scoreboard, sondern auf Basis einer qualitativen Gesamtbewertung.<br />

168. Die explizite Betrachtung der Risiken, die von makroökonomischen Fehlentwicklungen<br />

ausgehen, erscheint durchaus sinnvoll, da diese zu der aktuellen Krise geführt haben und sich<br />

allenfalls verzögert in der durch den SWP abgedeckten fiskalpolitischen Entwicklung niedergeschlagen<br />

haben (Ziffern 116 ff.). Jedoch ist es bei makroökonomischen Fehlentwicklungen<br />

ungleich schwieriger, diese anhand einzelner Indikatoren, wie etwa der Leistungsbilanz, und<br />

eindeutig definierter Grenzwerte zu identifizieren. Daher ist grundsätzlich ein Ansatz auf einer<br />

breiten Indikatorenbasis und mit gewissem Bewertungsspielraum der Europäischen<br />

Kommission gegenüber einem Verfahren mit einem größeren Automatismus zu bevorzugen.<br />

Zudem sind vermeintliche Fehlentwicklungen oft auf sehr unterschiedliche Ursachenkomplexe<br />

<strong>zur</strong>ückzuführen und nicht direkt politisch kontrollierbar (JG 2010 Ziffern 171 ff.). Ein zu<br />

sehr auf Automatismen beruhendes Verfahren würde somit den falschen Eindruck erwecken,<br />

dass grundsätzlich staatliches Fehlverhalten die Ursache ist. Diese Probleme werden aber<br />

beim VMU etwas abgeschwächt, da die Europäische Kommission oder der Ecofin-Rat den<br />

Mitgliedstaaten keine konkreten Maßnahmen auferlegen können, sondern lediglich unverbindliche<br />

Empfehlungen aussprechen; die Korrekturmaßnahmenpläne werden von den Mitgliedstaaten<br />

selber erarbeitet. Allerdings muss bei Fehlentwicklungen sichergestellt werden,<br />

dass fehlende Automatismen nicht <strong>zur</strong> Untätigkeit führen. Das VMU könnte hilfreich sein,<br />

um die Öffentlichkeit in den Mitgliedstaaten <strong>für</strong> länderspezifische Probleme zu sensibilisieren.<br />

Dazu beitragen können die große Sichtbarkeit des Scoreboard, das durchaus Resonanz in<br />

der Berichterstattung hervorgerufen hat, sowie die explizite Benennung von Missständen in<br />

einzelnen Ländern durch die Kommission.<br />

169. Weniger wirkungsvoll erscheinen die beschlossenen Maßnahmen, die auf das Ziel der<br />

Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung abzielen. Im Euro-Plus-Pakt<br />

wurden wenig konkrete Ziele vereinbart. Die Auswahl der zu ergreifenden konkreten Maßnahmen<br />

fällt in die Zuständigkeit des jeweiligen Staates, und eine erste Evaluation der Kommission<br />

zeigt, dass sich diese Maßnahmen – auch in Deutschland – häufig auf bereits laufende<br />

Gesetzgebungsvorhaben beziehen. In seiner jetzigen Ausgestaltung liefert der Euro-Plus-Pakt<br />

keinen Mehrwert gegenüber den bereits bestehenden Verpflichtungen im Rahmen der <strong>Europa</strong><br />

2020-Strategie.<br />

170. Mit dem Europäischen Semester wurde schließlich ein jährlicher Zyklus der wirtschaftspolitischen<br />

Koordinierung und Überwachung der Wirtschafts- und Haushaltspolitik in<br />

<strong>Sachverständigenrat</strong> - Jahresgutachten 2012/13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!