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Stabile Architektur für Europa - Sachverständigenrat zur ...

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Konsolidierung der öffentlichen Haushalte 219<br />

382. Zu Recht gibt es Zweifel daran, ob die am höchsten verschuldeten Kommunen in diesen<br />

Ländern ihre Schulden aus eigener Kraft <strong>zur</strong>ückführen können. Die Kommunalaufsichten der<br />

betreffenden Länder haben offensichtlich im Hinblick auf den Gebrauch der Kassenkredite<br />

versagt. Die Anreize der Kommunalaufsicht, stärker durchzugreifen, waren zu schwach ausgeprägt,<br />

weil dies unpopuläre Kürzungen bei den Ausgaben oder eine höhere Finanzausstattung<br />

dieser Gemeinden erfordert hätte. Der Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz hat<br />

jüngst festgestellt, dass die Kommunen von Landesseite in Verletzung der kommunalen<br />

Selbstverwaltung nur un<strong>zur</strong>eichende Mittel <strong>für</strong> ihre Aufgaben <strong>zur</strong> Verfügung gestellt bekamen<br />

(Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, 2012). Insbesondere seien die stark gestiegenen<br />

Sozialausgaben auf Gemeindeebene nicht ausreichend berücksichtigt worden.<br />

383. In der Tat belegen empirische Untersuchungen, dass Kommunen mit einer höheren Sozialhilfeempfängerquote<br />

und einer höheren Veränderung der Arbeitslosenquote signifikant<br />

höhere Kassenkredite haben (Heinemann et al., 2009; Gröpl et al., 2010). Weder das Einkommen,<br />

noch die Bevölkerungsgröße oder -dichte haben einen signifikanten Effekt auf die<br />

kommunalen Kassenkredite. Vielmehr spielt die Finanzsituation des Landes eine große Rolle:<br />

Je höher die Verschuldung eines Landes, umso höher sind die kommunalen Kassenkredite in<br />

diesem Land. Je geringer die Schlüsselzuweisungen des Landes an seine Kommunen je Einwohner<br />

sind, umso höher sind die Kassenkredite. Schließlich hat die Kommunalaufsicht der<br />

Länder einen erheblichen Einfluss auf die Inanspruchnahme der Kassenkredite.<br />

384. In jüngerer Vergangenheit wurden erste Sonderprogramme <strong>zur</strong> Sanierung überschuldeter<br />

kommunaler Haushalte in den Ländern auf den Weg gebracht. So übernimmt zum Beispiel<br />

das Land Hessen mit dem „Kommunalen Schutzschirm“ <strong>für</strong> hoch verschuldete Städte und<br />

Gemeinden die Refinanzierung und Tilgung von 46 % der gesamten Schulden, die zum Stichtag<br />

31. Dezember 2009 bestanden. Darüber hinaus werden Zinsbeihilfen geleistet. Im Gegenzug<br />

verpflichten sich die betroffenen Kommunen, mittelfristig ausgeglichene Haushalte zu<br />

erreichen und beizubehalten. Im Rahmen des „Kommunalen Entschuldungsfonds“ in<br />

Rheinland-Pfalz werden hingegen ausschließlich jährliche Finanzzuweisungen geleistet. Er<br />

zielt auf die Reduktion der Kassenkredite, macht ausgeglichene Haushalte jedoch nicht <strong>zur</strong><br />

Bedingung <strong>für</strong> die Zuweisungen. In Nordrhein-Westfalen zielt der „Stärkungspakt Stadtfinanzen“<br />

nicht direkt auf den Schuldenabbau der am höchsten verschuldeten Städte und Gemeinden,<br />

sondern nur auf die Herstellung ausgeglichener Haushalte bis zum Jahr 2020. Zu<br />

diesem Zweck werden bis zum Jahr 2020 zusätzliche jährliche Zuweisungen geleistet. Im<br />

Saarland befindet sich ein „Kommunaler Entschuldungsfonds“ in der Planung.<br />

Mit derartigen Sonderprogrammen wird ein erster Schritt <strong>zur</strong> Bereinigung der Altlasten unternommen.<br />

Da die am höchsten verschuldeten Gemeinden am stärksten entlastet werden, bestehen<br />

zukünftig aber verstärkt Anreize, eine hohe Verschuldung einzugehen und anschließend<br />

auf Hilfen durch das Land zu vertrauen. Daher ist es wichtig, die Nutzung von Kassenkrediten<br />

in Zukunft vorbeugend stärker zu kontrollieren und zu begrenzen. Zudem muss festgestellt<br />

werden, dass viele Kommunen in der Vergangenheit durch überdimensionierte Baumaßnahmen<br />

mit erheblichen Folgekosten belastet wurden.<br />

<strong>Sachverständigenrat</strong> - Jahresgutachten 2012/13

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