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Stabile Architektur für Europa - Sachverständigenrat zur ...

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Gesetzliche Krankenversicherung: Reformnotwendigkeiten trotz Überschüssen 359<br />

606. Die Rückkehr zu einer ausschließlich arbeitseinkommensabhängigen Finanzierung der<br />

GKV durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer würde der mit der Einführung der Zusatzbeiträge<br />

verbundenen Entkoppelung der Gesundheitsausgaben von den Arbeitskosten zuwiderlaufen<br />

und negative Beschäftigungseffekte und in der Folge negative Wachstumseffekte entfalten.<br />

Dieses Argument wiegt umso schwerer, weil zukünftig mit einem Anstieg der Beitragssätze<br />

<strong>zur</strong> Sozialen Pflegeversicherung und <strong>zur</strong> Gesetzlichen Rentenversicherung zu rechnen ist. Ein<br />

Anstieg des Gesamtsozialversicherungsbeitragssatzes führt zu Verzerrungen auf dem Arbeitsmarkt.<br />

Die steigenden Sozialabgaben belasten den Faktor Arbeit, sodass Unternehmen<br />

ihre Arbeitsnachfrage verringern. Zudem dürfte sich die aus einem steigenden Arbeitnehmerbeitrag<br />

resultierende Reduktion des Abstands zwischen Lohn und Transferleistungen, insbesondere<br />

im Bereich niedrig qualifizierter Beschäftigung, negativ auf das Arbeitsangebot auswirken.<br />

Diese Arbeitnehmer dürften sich dann eher <strong>für</strong> eine Beschäftigung entscheiden, die<br />

nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegt, oder in die Schattenwirtschaft abwandern.<br />

607. Ein einkommensunabhängiger Beitragsbestandteil stärkt zudem die Äquivalenz von<br />

Beitrag und Leistung, sodass der Steuercharakter, den ein arbeitseinkommensabhängiger<br />

Krankenversicherungsbeitrag aufweist, reduziert wird. Dieser resultiert wiederum aus den bei<br />

einer arbeitseinkommensabhängigen Beitragserhebung generierten Umverteilungsströmen<br />

von Beziehern hoher zu Beziehern niedriger Einkommen, die als versicherungsfremd einzustufen<br />

sind. Denn Aufgabe einer als Sozialversicherung organisierten Krankenversicherung ist<br />

allein der Ausgleich zwischen niedrigen und hohen Gesundheitsrisiken sowie zwischen Gesunden<br />

und Kranken und nicht die Einkommensumverteilung (JG 2005 Ziffern 513 ff.).<br />

Vielmehr ist diese im Steuer- und Transfersystem besser aufgehoben, weil sie dort zielgenauer<br />

umgesetzt werden kann.<br />

608. Schließlich würden die expliziten Preissignale, die von dem einkommensunabhängigen<br />

Beitrag ausgehen, durch die Rückkehr zu einer ausschließlich arbeitseinkommensabhängigen<br />

Finanzierung der GKV reduziert. Ein als Euro-Betrag ausgedrückter Beitrag dürfte nämlich<br />

leichter vergleichbar sein, sodass die Bereitschaft der Versicherten, die Krankenkasse zu<br />

wechseln, bei dieser Finanzierungsvariante steigt. Während der Wettbewerb zwischen den<br />

Krankenkassen durch einen einkommensunabhängigen Beitrag intensiviert würde (Wissenschaftlicher<br />

Beirat beim BMWi, 2010; Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, 2005, 2004),<br />

würde die Rückkehr zu einer ausschließlich arbeitseinkommensabhängigen Finanzierung der<br />

GKV den wünschenswerten Preiswettbewerb unter den Krankenkassen um eine effiziente<br />

Leistungserbringung einschränken. Dies würde dem mit dem Preiswettbewerb verbundenen<br />

Ziel, im Gesundheitssystem bestehende Effizienzreserven zu heben, zuwiderlaufen.<br />

609. Um eine aus allokativer und damit aus beschäftigungs- und wachstumspolitischer Sicht<br />

bestmögliche Finanzierung des Gesundheitssystems zu erreichen und dabei gleichzeitig den<br />

Wettbewerb der Krankenkassen untereinander zu fördern, be<strong>für</strong>wortet der <strong>Sachverständigenrat</strong><br />

eine einkommensunabhängige Finanzierung der GKV mit steuerfinanziertem Sozialausgleich<br />

(zuletzt JG 2011 Ziffer 547; zuerst JG 2002 Ziffern 520 ff.). In seinem Jahresgutachten<br />

2004/05 hat er zudem mit der Bürgerpauschale ein eigenes Modell <strong>zur</strong> Neugestaltung der<br />

Einnahmeseite des Gesundheitssystems vorgelegt (Kasten 23, Seite 360).<br />

<strong>Sachverständigenrat</strong> - Jahresgutachten 2012/13

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