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ECHO Top500 2020

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TOP 500 | INTERVIEW

ECHO: Wird es eine Impfpflicht für medizinisches

Personal geben?

Deflorian: Ich gehe nicht davon aus. Nachdem

es keine Langzeitfolgeabschätzungen

gibt, befürchte ich, dass eine nicht unerhebliche

Gruppe einer solchen Impfung skeptisch

gegenübersteht.

ECHO: Die europäische Kommission bittet

die Länder nun, Impfpläne vorzulegen. Wie

sollte ein solcher Impfplan aussehen?

Deflorian: Die Ausarbeitung dieser Impfkonzepte

ist Aufgabe der Bundesregierung.

Es geht nicht nur darum, wer als Erster die

Impfung bekommt, sondern auch darum, wie

die Logistik organisiert wird. In diese Arbeit

sind wir nicht eingebunden. Wir gehen aber

davon aus, dass zunächst Sozial- und Gesundheitseinrichtungen

und ihre Mitarbeitenden

ebenso wie besonders vulnerable Patientengruppen

die Impfung angeboten wird.

ECHO: Reichen die Maßnahmen der Regierung,

um die Inzidenzen zu senken?

Deflorian:Maßgeblich ist, inwieweit es

gelingt, die Bevölkerung zu sensibilisieren,

diese eigentlich relativ einfachen Maßnahmen

– Abstand halten, Händedesinfektion,

Mund-Nasen-Schutz tragen – einzuhalten.

Je besser es gelingt, die Bevölkerung auf diesem

Weg mitzunehmen, umso eher gelingt

es, die Infektionszahlen zu drücken. Andere

Maßnahmen, wie die Sperrung der Schulen,

sind womöglich nicht der Weisheit letzter

Schluss. Schüler sind weder eine Risikogruppe

noch maßgeblich an der Weitergabe von

Infektionen beteiligt. Man kann zudem schon

hinterfragen, ob die aktuelle Teststrategie da

und dort Adaptierungen zu unterwerfen ist.

ECHO: Im vorliegenden neuen Budget

wurden die budgetären Mittel für Kliniken

gekürzt. Mit welchen Konsequenzen?

Deflorian: Ich gehe davon aus, dass wir keine

Reduzierung der Finanzierung der Krankenanstalten

erleben und ganz im Gegenteil

den Krankenanstalten zusätzliche Mittel zur

Verfügung gestellt werden. Immerhin sind

dies jene Institutionen, die am meisten dazu

beitragen, das Infektionsgeschehen einzudämmen

und stehen diese Institutionen vor

enormen Herausforderungen. Eine Kürzung

der Mittel ausgerechnet in diesem Bereich

vorzunehmen, wäre für mich vollkommen

unverständlich.

ECHO: Die Kliniken finanzieren sich durch

Steuern. Diese Einnahmen werden 2020

sinken. Gleichzeitig steigen die Ausgaben

(Schutzausrüstung etc). Wie macht sich das

bemerkbar?

Deflorian: Die beiden Haupteinnahmequellen

sind die Sozialversicherungsbeiträge

und die Umsatzsteueranteile. Beide sind extrem

konjunkturanfällig. Steigt die Arbeitslosigkeit,

sinken die Sozialversicherungsbeiträge.

Ist die Konjunktur flau, sind auch die

Umsatzsteueranteile niedriger. Das ist nun

der Fall. Eine Besserung über den Winter ist

nicht zu erwarten. Gibt es keine Kompensationszahlungen

seitens der Länder und des

Bundes drohen Millionenverluste im mittleren

zweistelligen Bereich.

ECHO: Zur Datenaffäre: Welche Konzepte

gibt es seitens der TILAK, das in Zukunft zu

verhindern? Welche Gruppen waren von der

Datenweitergabe besonders betroffen?

Deflorian: Die Aufarbeitung des Geschehenen

wird noch die eine oder andere Woche

dauern, eine endgültige Bilanz ist erst danach

möglich. Immerhin stellt sich hier die Frage,

ob es sich ausschließlich um ein individuelles

Fehlverhalten oder eben auch um ein systemisches

Problem handelte. Bisher gibt es

aber keine Hinweise auf organisatorische Versäumnisse.

Die Anfragen der Polizei standen,

soweit wir bisher wissen, im Zusammenhang

mit polizeilichen Ermittlungen, darunter z.

B. Suchtgiftdelikte. Es gibt hier einen Überschneidungsbereich

zu PatientInnen aus der

Psychiatrie. Ich kann nicht ausschließen, dass

auch ausländische Patienten betroffen waren,

aber ich kenne noch keine Namen.

ECHO: Wie verändert sich die chirurgische

Arbeit durch die Digitalisierung, Stichwort „Da

Vinci“?

Deflorian: Bisher gibt es keine eindeutigen

Ergebnisse, wonach es bei robotergestützter

Chirurgie signifikante Vorteile gegenüber

konventionellen Operationen gäbe. Dennoch

haben diese Technologien sicher bei gewissen

Operationen und Patienten ihre Berechtigung.

Zur Vermeidung von Fehlern würden wir sehr

auf Simulationsoperationen in großem Umfang

drängen. Bisher gibt es nur ein geringes Angebot

an OP-Simulationen. Die neue Ärztegeneration

wird unter den sehr strengen Regeln des

Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetzes ausgebildet,

darf spätestens ab 1. Juli 2021 nicht mehr als

48 Wochenstunden arbeiten. Simulationen wären

äußerst hilfreich. Es wäre wünschenswert,

dass die Ausbildung von Jung ärzten in Zukunft

verstärkt in Simulationszentren stattfindet.

Interview. Amata Steinlechner

Fotos: Gerhard Berger

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ECHO TOP 500 UNTERNEHMEN 2020

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