ECHO Top500 2020
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Fotos: Friedle
ECHO: Beginnen wir am 13. März dieses Jahres,
an jenem Freitag, an dem die Bundesregierung den
Lockdown verordnet hat? Was ist damals in Ihnen
vorgegangen und wie haben Sie den Lockdown und
die folgenden Monate erlebt – sowohl persönlich als
auch als Präsident der Tiroler Arbeiterkammer?
Erwin Zangerl: Es war bedrückend zu sehen, wie
innerhalb kürzester Zeit Österreich in einen Ausnahmezustand
versetzt wurde. Bedrückend auch, weil
das die Menschen in Wirklichkeit völlig unvorbereitet
getroffen hat. An diesem ersten Corona-Wochenende
haben uns hunderte verzweifelte Mitglieder angerufen,
die wissen wollten, wie es nun weitergeht und
was ein Lockdown für ihre Arbeit und ihr Einkommen
bedeutet. Diese Pandemie wurde deshalb auch
für uns zu einer absoluten Herausforderung. Allein in
den ersten vier Corona-Wochen wurden fast 68.000
Beratungen durchgeführt, Ende Juni waren es bereits
132.000 und Mitte September – genau sechs Monate
nach dem Lockdown – hatten wir die unglaubliche
Marke von 190.000 Beratungen zu diesem Thema
überschritten. Und eine Ende ist leider nicht in Sicht.
ECHO: Viele Wirtschaftsforscher glauben, dass im
kommenden Jahr die Unternehmensinsolvenzen
stark steigen werden. Rechnen Sie auch damit und
was bedeutet das für die Entwicklung der Arbeitslosigkeit
in Tirol?
Zangerl: Ich denke, dass sowohl Land als auch
Bund sich dieses Problems bewusst sind. Die entsprechenden
finanziellen Mittel sind da, um einen
neuerlichen Arbeitsmarktschock abzufedern, und
sie werden auch eingesetzt. Hätte jemand vor neun
Monaten um 500 Millionen Euro gebeten, etwa
für eine sinnvolle arbeitsmarktpolitische Initiative,
hätte man ihn dezent darauf hingewiesen, dass das
Geld nicht auf der Straße liegt. Jetzt hat man zu dieser
Summe gleich ein paar Nullen hinzugefügt, um
Wirtschaft und Arbeitsmarkt zu stützen. Aber jede
Insolvenz ist eine zu viel, genauso wie jeder verlorene
Arbeitsplatz einer zu viel ist. Es ist deshalb auch umso
wichtiger, dass wieder auf die Expertisen der Sozialpartner
Wert gelegt wird. Natürlich ist es schwer
abzuwägen, wie lange man Instrumente wie Arbeiten
im Homeoffice oder die Kurzarbeit nützen kann. Ich
denke nicht, dass das auf Dauer funktionieren wird.
Aber es muss so lange für alle Beteiligten möglichst
reibungsfrei funktionieren, bis wir den Arbeitsmarkt
wieder im Griff haben.
ECHO: Die Bundes- und auch die Landesregierung
haben im Zuge der Coronakrise hohe Schulden
aufgenommen. Irgendwann sollen diese wieder zurückgezahlt
werden. Sie fordern höhere Beiträge der
Reichsten. Das allein wird nicht genug sein. Wie soll
die Verschuldung wieder sinken?
Zangerl: Allein über diese Frage könnten wir ein
ganzes Interview führen. Fest steht, es geht hier nicht
mehr nur um ein österreichisches Problem, sondern
um ein europäisches. Das lässt sich nicht mehr isoliert
betrachten. Diese Krise hat uns aber noch deutlicher
als die Bankenkrise vor Augen geführt, dass wir zu
einer einheitlichen Linie kommen müssen, sowohl
in der Gesundheits- als auch in der Wirtschafts- bzw.
Finanzpolitik. Denn Corona ist für alle ein Thema,
das wird – vor allem finanziell gesehen – lange nicht
verschwinden. Und hier werden die, die es sich leisten
können, ihren gerechten Beitrag liefern müssen,
so wie alle anderen dies auch tun müssen. Dies gilt für
Einzelne genauso wie für internationale Konzerne,
die Teile von Europa immer noch als Steueroase nutzen.
Das sind aber nur einige Maßnahmen von vielen,
die in Österreich sowie in Europa immer auf die lange
Bank geschoben wurden. Letztlich ist auch nicht
der absolute Schuldenstand ökonomisch relevant.
Die Verschuldung ist ja in Relation zur Wirtschaftsleistung
zu sehen. Hier hat Österreich viel Potenzial.
Und schließlich wird es auch davon abhängen, wie
die Europäische Zentralbank agiert, wie man mit
dem Fiskalpakt umgehen wird und wie sich das Zusammenspiel
von Finanz- und Geldpolitik gestaltet.
Und das alles wird in einer Form erfolgen müssen,
dass es die EU eben nicht zum Zerreißen bringt. Ich
denke, das ist dem Großteil der Staatschefs auch bewusst.
ECHO: Swarovski hat den Abbau von zahlreichen
Arbeitsplätzen angekündigt. Sie haben sich dagegen
gewehrt. Ist es nicht legitim, dass ein privates Unternehmen
seine Ziele, seine Märkte verändert und die
Anzahl seiner Mitarbeiter dementsprechend anpasst?
Zangerl: Natürlich kommt es vor, dass ein Unternehmen
Fehler macht und dann seine Struktur ändern
muss. Und natürlich leiden viele Unternehmen
unter der Corona-Situation. Nur, Swarovski hat seine
Kündigungen bereits Monate vor der Pandemie angekündigt.
Das Unternehmen konnte sich seit Jahrzehnten
bei jeder Krise auf das Land Tirol und die
Steuerzahler verlassen, und es hat auch in der Krise
ECHO TOP 500 UNTERNEHMEN 2020
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