Einhornjagd und Grillenfang.pdf - PoCul-Verlag
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II<br />
in Casablanca, da, an einer<br />
Hochspannungsleitung hängen Leute,<br />
Ringo, Alice, Roger ... Ihre Fäuste sind<br />
zusammengekrampft, ihre Gesichter<br />
Zur gleichen Zeit rollt ein dunkelblauer<br />
Cadillac über die Landstraße. Die<br />
zieht über eine grüne Hochebene mit<br />
Birken- <strong>und</strong> Kiefernwäldchen <strong>und</strong><br />
weiten, blumenlosen Wiesen, auf denen<br />
vereinzelte Kühe weiden. Darüber ein<br />
abendlicher Gewitterhimmel.<br />
Windgepeitschte Wolkentürme tauchen<br />
die Landschaft in ständig wechselndes<br />
Licht. Hell <strong>und</strong> dunkel gefleckt wie die<br />
schreckensstarr, tief unten rollen die<br />
Autos, Neonströme, unter meinen Füßen<br />
gähnt die Straßenschlucht, ich zappele<br />
mit den Beinen, sehe an meinen Armen<br />
entlang nach oben, schaue den anderen<br />
in die Augen, sie sind leer, keine Iris,<br />
keine Pupille, in meinem Körper bildet<br />
sich ein eiskalter Kern, da, der Rabe,<br />
aufhören, meine Finger, nein, geh mir<br />
aus dem Nacken ...<br />
grasenden Kühe.<br />
Ringo kurbelt das<br />
Fenster herunter,<br />
lehnt sich bequem<br />
zurück <strong>und</strong> lagert<br />
seinen rechten Fuß<br />
auf den Außenspiegel. Die Musik ist<br />
laut, walking blues I got my eyes on you.<br />
Henry neben ihm, dreht sich eine<br />
Zigarette.<br />
Ringo lenkt mit der linken Hand, mit<br />
der rechten schnippt er den Rhythmus.<br />
Vereinzelt züngeln Blitze aus dem<br />
Himmel.<br />
Henry!<br />
Was ist denn.<br />
Mach mal halt. Ich muß mich jetzt ein<br />
bißchen da ins Silbergrüne legen <strong>und</strong><br />
mit Lucy unterhalten.<br />
Spitzenidee. Ich leg noch ne andere<br />
Cassette auf.<br />
Der Cadillac stoppt mitten auf der<br />
Ebene. Die beiden steigen aus, gehen<br />
noch ein Stück in die Wiese, ihre Haare<br />
<strong>und</strong> Kleider flattern. Dann legen sie sich<br />
auf dem Rücken ins wogende Gras, die<br />
Arme <strong>und</strong> Beine weit von sich gestreckt.<br />
Ab <strong>und</strong> zu glüht eine Zigarette<br />
hellorange auf, der Wind zerstiebt den<br />
Rauch.<br />
Ich balanciere auf der Dachrinne<br />
eines Hochhauses, es ist Nacht, ich bin<br />
Mathew erwachte <strong>und</strong> merkte, daß es<br />
kalt geworden war. Er zog den<br />
Schlafsack weiter zu, drehte sich auf<br />
dem harten Boden zur Seite <strong>und</strong> landete<br />
dabei mit dem Gesicht in einer Pfütze.<br />
Er hustete. Schleim kam ihm hoch.<br />
Naß. Er zitterte. Kalt. Hier kann ich<br />
unmöglich liegenbleiben, dachte er <strong>und</strong><br />
schälte sich aus seinem Schlafsack.<br />
Dann stand er auf, die Haare nach allen<br />
Seiten abstehend, <strong>und</strong> atmete die klare<br />
Nachtluft. Sie schmeckte nach Geranien,<br />
Meer <strong>und</strong> Pinien. Da es gerade hell zu<br />
werden begann, setzte er sich auf einen<br />
Stuhl zum Meeresrauschen hin <strong>und</strong><br />
bestellte sich einen Café mit Doughnut.<br />
Die Caféteria war überfüllt. Stu-<br />
denten, die Café trinken <strong>und</strong> Joints<br />
rauchen. In einer Ecke vor einem<br />
Weingläschen sitzt ein granadinischer<br />
Ureinwohner mit silbergeknauftem<br />
Stock, schätzungsweise 150 Kilo<br />
rülpsendes Lebendgewicht. Der<br />
Camarero am Chrombuffet knallte die<br />
Tasse auf das Tellerchen, das<br />
Zuckertütchen an den Rand, den Löffel<br />
umgedreht.<br />
Während Mathew noch den Café<br />
umrührte, trat ein junger Mann, braunes<br />
Sakko, Brille, streßverzerrtes Gesicht,<br />
MARTIN SERRA 141